Mit MARIANNE SANDIG, Vorsitzende der Landgewerkschaft, sprach Jochen Fischer

Ein Streik ist angekündigt ...

Für heute hatten 400 Forstleute in Sondershausen einen unbefristeten Streik angekündigt. Er ist ausgesetzt . . .

Die Forderung der Sondershausener nach monatlich 300 Mark mehr Lohn und fünf Tagen Zusatzurlaub halte ich für verständlich. Allerdings lassen sie sich auch ohne Streik, dieser bringt täglich 400 000 Mark Verluste, durchsetzen.

Wie das?

Indem alle vorhandenen Lohnformen voll ausgenutzt werden. Die Stücklohnvergütung lässt es zu, dass die Forstarbeiter auf ihr Geld kommen. Und was den Zusatzurlaub betrifft, so, muss er meines Erachtens im Betrieb vereinbart werden.

Ihnen geht der Ruf voraus, eine engagierte und unnachgiebige Frau zu sein.

Danke für das Kompliment. Im Interesse unserer über 600 000 Mitglieder ist das auch gar nicht anders möglich. Fest steht ich werde der Regierung, dem Landwirtschaftsminister oder welchem Tarifpartner auch immer ein streitbarer Widerpart sein, dem die Sicherung der Arbeitsplätze besonders am Herzen liegt.

Was haben Sie bisher erreicht?

Bislang erzielten wir in zähen Verhandlungen für 160 000 Beschäftigte höhere Löhne. Ich halte das aber für unzureichend und nur einen ersten Schritt, um das ungerechtfertigte niedrige Lohnniveau im Vergleich zu anderen Branchen zu überwinden. Weitere Zuschläge wurden uns mit dem Hinweis auf das Defizit im erkrankten Staatssäckel bisher abgelehnt Doch , die Beschäftigten unseres Zweiges haben in jüngster Vergangenheit, im Gegensatz zu anderen Bereichen, alle Aufgaben erfüllt. Auch das berechtigt uns, noch entschiedener für ihre Interessen zu kämpfen.

Die Erfüllung aller Aufgaben spricht für Verantwortung . . .

In der Tat. Daran scheiterten auch Versuche, die Frühjahrsbestellung als Druckmittel für zwar anerkannte, aber unerfüllte Lohnforderungen zu nutzen. Nur: So verantwortungsbewusst wird im Ministerium für Arbeit und Löhne nicht gehandelt. Der vereinbarten Regelung zur Vergütung des Bereitschaftsdienstes der Tierärzte beispielsweise würde hier, bisher nicht zugestimmt. Dahinter steckt eine unvertretbare Unterschätzung unseres landwirtschaftlichen Bereiches, und das lassen wir uns nicht länger bieten. Die Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft muss innerhalb unserer Volkswirtschaft neu bewertet werden.

aus: Neues Deutschland, 21.03.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 68

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