Fraueninteresse im Staatsvertrag ignoriert

Gleichstellung und Recht auf Arbeit festschreiben

Wir gehen davon aus, dass beide deutsche Staaten die Konvention der Vereinten Nationen "Über die Beseitigung aller Formen der Diskriminierung der Frau" unterzeichnet haben. Sie sind daher den Ideen dieser Konvention verpflichtet.

Wir setzen uns dafür ein, dass durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten ein neues, ein frauenfreundliches Deutschland und keine erweiterte BRD entsteht.

Deshalb protestieren wir dagegen, dass aus dem Staatsvertrag nicht hervorgeht, in welcher Weise Fraueninteressen gesichert werden. Wir verlangen, dass in diesem Dokument der Tatsache Rechnung getragen wird, dass Frauen keine Minderheit sind, dass mehr als die Hälfte der DDR-Bevölkerung weiblichen Geschlechts ist.

Eine einseitige Angleichung an das Recht der BRD stellt das vorhandene Niveau der Rechtsgleichstellung der Geschlechter in Frage und verschlechtert die Rechtssituation der Frauen. Deshalb fordern wir, dass Frauen als eigenständige, unabhängige und selbständige Rechtssubjekte respektiert werden.

Das erfordert die Garantie des Rechts auf bezahlte Arbeit als Grundvoraussetzung einer eigenständigen ökonomischen Existenzsicherung und Unabhängigkeit von Frauen. Müttern muss es möglich sein, ohne Schuldgefühle berufstätig sein zu können.

Das erfordert die Garantie des Rechts auf Bildung, Weiterbildung und Umschulung entsprechend den weiblichen Lebensbedingungen als unerlässliche Voraussetzung der Sicherung der Konkurrenzfähigkeit der Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Das erfordert dass Frauen in allen sozialrechtlichen Bestimmungen als eigenständiges Rechtssubjekt und nicht in Abhängigkeit von ihrem Familienstand behandelt werden.

Das erfordert, dass keine ungeschützten Arbeitsrechtsverhältnisse eingeführt werden und Versicherungspflicht unabhängig von der individuell vereinbarten Dauer der Arbeitszeit erhalten bleibt.

Das erfordert zur Sicherung der Arbeitsfähigkeit der Frauen die Erhaltung und qualitative Verbesserung der Kinderbetreuungseinrichtungen, die aus öffentlichen Mitteln subventioniert werden. Kindern sollte der Rechtsanspruch auf einen Platz in Krippe, Kindergarten oder Hort gewährt werden.

Das erfordert die gesetzliche Gewährleistung der selbstbestimmten Mutterschaft als einer elementaren Voraussetzung der weiblichen Emanzipation. Die Fristenlösung muss erhalten bleiben, der § 218 darf nicht übernommen werden. Männliche Parlamentsmehrheiten dürfen nicht über das Schicksal von Frauen entscheiden!

Das erfordert die Beibehaltung und Durchsetzung von Rechtsnormen gegen die Vermarktung des weiblichen Körpers und der weiblichen Sexualität.

Das erfordert, die in der DDR im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft gewährten Leistungen zu erhalten.

Das erfordert bei der Festlegung der Höchstversicherungszeit (45 Jahre) der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Rentenaltersgrenze der Frauen 5 Jahre unter der der Männer liegt. Es ist eine Forderung sozialer Gerechtigkeit, die niedrigere Rentenaltersgrenze für Frauen aufrechtzuerhalten. - Denn: Die Frauen, die jetzt das Rentenalter erreichen und aus Altersgründen aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, waren die Stiefkinder der Sozialpolitik der Vergangenheit.

Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten darf nicht zu einem niedrigeren Niveau der Gleichstellung von Mann und Frau führen. Im Einigungsprozess ist ein höheres Niveau der Gleichstellung für die Frauen in Ost und West anzustreben.

Die Überwindung der Teilung Deutschlands soll sich nicht gegen die berechtigten Sicherheitsinteressen anderer Völker wenden. Daher setzen wir uns dafür ein, dass die neu entstehenden politischen Bedingungen zur Senkung der Rüstungsausgaben führen und ein kollektives Sicherheitssystem in Europa fordern, dass sie im Sinne der Lösung der globalen Probleme der Menschheit wirken.

Wir fühlen uns den Frauen in den Entwicklungsländern eng und solidarisch verbunden und wollen nicht auf ihre Kosten leben. Unsere Vorstellungen von einem menschenwürdigen Leben als Frauen sind Hoffnungen von einer besseren Welt für alle in Ost und West, in Süd und Nord.

Resolution der
Frauenarbeitsgemeinschaft
der PDS Lisa

Neues Deutschland, Sa. 16.06.1990, Jahrgang 45, Ausgabe 138

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