Die Gruppe der 20 in Dresden

bildet sich am Abend des 8. Oktober 1989 in Dresden während einer Demonstration.

Gegen 15 Uhr wurde eine Kundgebung auf dem Theaterplatz aufgelöst. Ein Teil der Demonstranten wurden "zugeführt". Um 18.30 Uhr formierte sich ein zweiter Demonstrationszug. Nachdem die Volkspolizei gegen 20 Uhr Demonstranten auf der Prager Straße eingekesselt hatte nahmen die Kapläne Andreas Leuschner und Frank Richter Kontakt mit der Polizeiführung auf. Oberlandeskirchenrat Fritz, Landesbischof Johann Hempel und Superintendent Christof Ziemer begaben sich zu Oberbürgermeister Wolfgang Berghofer. Mit anwesend bei dem Gespräch war Berghofers Stellvertreter für Inneres, Hans Jörke. Verabredet wird ein Gespräch mit einer Abordnung der Demonstranten für den nächsten Vormittag. Vor der Zusage zu dem Gespräch am nächsten Vormittag versuchte Wolfgang Berghofer sich noch Rückendeckung beim 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Hans Modrow zu holen. Der weilte aber zu diesem Zeitpunkt in der Semperoper und lauschte "Fidelio".

Nach einer Erinnerung von Frank Richter sollten 10 Vertreter für ein Gespräch mit staatlichen Stellen benannt werden. Wolfgang Berghofer nannte für das Gespräch nicht mehr als zwei Dutzend. Es wurden dann 20. Die Zusammensetzung wurde noch einmal geändert, weil sich zunächst überwiegend junge Leute gemeldet hatte. Es sollten aber auch Ältere berücksichtigt werden.

Forderungen für das Gespräch waren:

Einführung eines Zivildienstes, Freilassung der politischen Gefangenen, besonders jener, die in den letzten Tagen in Dresden inhaftiert wurden, Legalisierung des Neuen Forums, offener und gewaltfreier Dialog in der Gesellschaft, Recht auf friedliche Demonstration, Reisefreiheit, Pressefreiheit.

Die Forderungen, die bei dem anstehenden Gespräch vorgebracht werden sollten, wurden durch Beifall der Demoteilnehmer legitimiert.

Ein Gespräch mit dem Bürgermeister Berghofer sollte am nächsten Tag um 9 Uhr stattfinden. Die Ergebnisse des Gesprächs am Abend in kircheneigenen Räumen bekannt gegeben werden. Das war eine Bedingung von staatlicher Seite.

Danach löste sich die Demonstration auf.

Die Bildung der Gruppe war spontan, der Situation geschuldet. Ihr ging im Gegensatz zu den bekannten Überregionalen Organisationen keine monatelange Diskussions- und Planungsphase voraus.

Am Abend vor dem Gespräch versammelten sich die Vertreter um sich im Dompfarramt auf das Gespräch am folgenden Tag vorzubereiten.

Auch die Bezirksleitung der SED bereite sich in der Nacht auf die Gespräche am nächsten Tag vor.

Die Gruppe hieß zunächst Dialoggruppe. Auch wenn sich mehr als 20 Personen meldeten, die 20 wurde in den Namen aufgenommen. Außer zwei Personen, ein CDU und ein SED-Mitglied waren alle anderen in keiner Partei organisiert. Sofort nach bekannt werden der Namen setzte eine Bespitzelung im Betrieb und im Wohnbereich ein. Darüber berichtete die Gruppe wahrend des zweiten Rathausgesprächs am 16.10.1989.

Das angestrebte Gespräch mit Berghofer findet am nächsten Tag von 9 bis 11 Uhr statt. Neben Berghofer nehmen auch Vertreter von CDU, LDPD, NDPD und SED teil. Auf Seiten der Gruppe der 20 sind zusätzlich die Kirchenvertreter Frank Richter und Christof Ziemer anwesend.

Wolfgang Berghofer hielt zu Beginn eine kurze Rede, in der er u. a. sagte:

"Zum Dialog in Richtung Erneuerung ist fleißige Arbeit notwendig. Einige von Ihnen sitzen hier während ihrer Arbeitszeit. Sozialistische Demokratie ohne wirtschaftliche Dynamik bleibt Gerede. Die Basis für jedes Gespräch ist unsere Verfassung. Reden sollten wir in angemessener, kultivierter und gleichberechtigter Partnerschaft.

Aus meiner Sicht bleibt die Hauptentwicklungsrichtung des sozialistischen Staates sozialistische Demokratie. Dazu bedarf es der offenen und vertrauensvollen Gespräche mit allen Bürgern über herangereifte Fragen der sozialistischen Entwicklung der DDR.

Wir gehen davon aus, dass es für diese breite Aussprache keine Tabus gibt, unter einer Voraussetzung, dass es um die weitere Ausgestaltung unserer sozialistischen Gesellschaft zum Wohle aller ihrer Bürger geht. Den Sozialismus, der für alle da ist und Platz für alle hat, lassen wir nicht entarten.

(...)

Freiheit, Demokratie, Reformen - das alles ist noch kein Programm. Die letzten Tage zeigen deutlich, dass da auch die Freiheit der Gewalttätigkeit, der Zerstörung alles Guten, die Demokratie der Pflastersteine, die Reform zu Anarchie und Chaos gemeint sein kann. Wir und Sie müssen uns mit den Inhalten, mit dem Kern der Fragen, um die es bei der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung in unserem Lande und in unserer Stadt geht, intensiv befassen.

Unerlässlich ist dazu, was Sie mit der Aussage 'Innerer Frieden ohne Gewalt' kennzeichnen.

Dazu stehe ich. Es wäre ein Glück, ein Segen für alle, wenn das erreicht wird. Ich teile die Position von Hermann Kant heute in der 'Jungen Welt', dass es jetzt darauf ankommt, nicht so sehr die anderen schlecht, sondern das eigene gut zu machen." (1)

Nach einer Erinnerung Herbert Wagners wurde mit den Forderungen

- Diskussion der Wahlproblematik.

- Einführung eines Zivildienstes.

- Fortsetzung des gewaltfreien Dialogs.

- Gewährung von Demonstrationsfreiheit.

- Klärung der Probleme, die im Zusammenhang mit den Inhaftierten bei Demonstrationen der letzten Tage stehen.

- Objektive Berichterstattung in den Medien.

- Reisefreiheit in sozialistische und kapitalistische Länder.

- Sachliche Darstellung der Ereignisse der letzten Tage und deren Wertung.

- Umfassende Information und Diskussion über Anliegen und Ziele des Neuen Forums.

in das Gespräch gegangen. (2)

Insgesamt war das Gespräch nicht ergiebig. Berghofer erkannte die Gruppe als Gruppe nicht an und sprach ihr die Legitimation für die DemonstrantInnen oder gar für die dresdner Bürger zu sprechen ab. Berghofer, der selbst nicht legitimiert war, machte das Fass der fehlenden Legitimation auf. Er selber betrachtete sich auch Jahre später noch als die gewählte Obrigkeit.

Er versprach sich für die Freilassung der bei friedlichen Demonstrationen festgenommener einzusetzen. Auch wurden bei Neuwahlen unabhängige Kandidaten gefordert. Berghofer konterte mit dem Hinweis auf die Überarbeitung des Wahlgesetzes.

Während die Gruppe der 20 Informationsveranstaltungen über die Gespräche an öffentlichen Orten durchführen wollte, bestand das Bestreben der SED darin alles möglichst hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Als Kompromiss wurden Informationsveranstaltungen in Kirchen gewählt. In vier Dresdner Kirchen unterrichteten die Mitglieder der Gruppe die interessierte Öffentlichkeit.

Später schrieb Manfred Berghofer über das Treffen:

Ich schaute in die Runde. Eine ungeheure Spannung lastete auf beiden Seiten. Da saßen mir nun diejenigen gegenüber die in den Augen der Partei- und Staatsführung die Konterrevolution repräsentierten: der Student, die Kindergärtnerin, der Kraftfahrer, der Ingenieur, der Christ, der Liberale, auch das SED-Mitglied - der jüngste vielleicht siebzehn, der Älteste fünfzig Jahre. In der Demonstrantengruppe kannte kaum einer den anderen. Sie alle wollten einfach nur frei sein. Frei vom vormundschaftlichen Staat, frei von der Allmacht der SED, frei auch in der Entscheidung, dieses Land verlassen zu können." (3)

Als wenn er mit den Verhältnissen in der DDR nicht zu tun gehabt hätte, als Neutraler von einem anderen Planeten kommend.

Zwei Mitglieder der Gruppe fuhren am 09.10.1989 nach Leipzig um dort über die Ereignisse in Dresden zu berichten.

Sprecher der Gruppe wurde Ende Oktober Herbert Wagner. Rechtsberater der Gruppe der 20 wurde der damalige Leiter des Bezirkskirchenamtes Dresden Steffen Heitmann. Er vertrat am 20.10. die Ansicht, dass eine zweite Generation von Revolutionären auf den Plan treten müsse. Wolfgang Berghofer schrieb über ihn: "Seine oberlehrerhafte Rechthaberei war manchmal unerträglich. Erschreckt hat mich seine intolerante, fanatische Art, mit anderen Meinungen umzugehen." (4)

Weitere Berater waren die Redakteurin der Zeitung "Union", Uta Dittmann, der Pfarrer Andreas Horn und Superintendent Christof Ziemer. Für kurze Zeit wird Jörg Naumann Büroleiter. Durch die Mitarbeit im Bürgerkomitee, das sich am 05.12.1989 bildete konnte er dann diese Tätigkeit nicht mehr ausüben.

Zu Verhandlungen über die Freilassung der Inhaftierten kam es am 11.10. mit der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Bis zum 16.10. waren alle wieder frei. Eine Amnestie erließ der Staatsrat der DDR am 27.10.1989.

Zu einem Gespräch mit Dresdner SED-Vertretern kam es am 11.10.1989. Damit war die Gruppe inoffiziell anerkannt.

Am 12.10. wurde innerhalb der Gruppe ein engerer Kreis gebildet. Dadurch sollten u.a. für manche Gruppenmitglieder die enorme zeitliche Belastung etwas abgemildert werden. Bereits Ende November arbeitet nur noch rund 2/3 aus der Ursprungsgruppe mit. Im Januar 1990 war es nur noch einer.

Vor dem zweiten Rathausgespräch schickte Hans Modrow zur Absicherung ein Fernschreiben an die Mitglieder des Politbüros Egon Krenz und Joachim Herrmann. Darin wird ihnen versichert, für das Gespräch gelte die SED-Linie.

Eines der Anliegen im zweiten Rathausgespräch am 16.10. ist die Anerkennung als Gruppe zu erreichen. Es wird ein Recht auf Gründung von Bürgerinitiativen und Sicherung ihrer breiten Einbeziehung in staatliche Entscheidungsprozesse gefordert.

Eine weitere Forderung ist die Bildung einer Untersuchungskommission über die Ereignisse zwischen dem 04. und 07.10 in Dresden.

In einer Erinnerung sagte Andreas Bartzsch, der für die Gruppe der 20 an der Unterredung teilnahm, für Berghofer handele es sich bei ihnen um keine Gruppe, sondern um zufällige Bürger. Es dürfe sich auf keinen Fall als oppositionelle Gruppe verstanden werden. Sie selber verstanden sich aber als Vertreter der Straße. Sie verlangten, einen Gruppenstatut zuerkannt zu werden.

Der Gruppe der 20 wird ein Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung eingeräumt. Es werden Arbeitsgruppen - paritätisch besetzt 6:6 - der Stadtverordneten vereinbart. Von Seitens Berghofers wird versucht die Mitglieder der Gruppe in die vorhandenen staatlichen Strukturen einzubinden. Was zu Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe führt, da ein Teil der Gruppe dies ablehnte. Ein Status als Gruppe wird ihnen von der Führung der Stadt verweigert. Andreas Bartzsch, berichtete von einer gespannten Atmosphäre, die während des Gespräches geherrscht hat.

Die Gruppe der 20 richtete interne Arbeitsgruppen ein. Berghofer wird ein Papier überreicht, in dem des heißt: "Wir verstehen uns nicht als neue Partei und lehnen den Begriff Opposition für uns ab. Wir wollen den gewaltlosen Dialog, und wir wollen Veränderungen auf der Basis der sozialistischen Gesellschaft".

Zur Unterstützung der Gespräche zwischen der Gruppe der 20 und dem Oberbürgermeister riefen in einer Erklärung Mitglieder des Dresdner Schriftstellerverbandes auf.

Während des Rathausgesprächs am 16.10. versammelten sich DemonstrantInnen vor dem Rathaus und forderten sofort über die Gespräche informiert zu werden. Angeboten werden Informationen über die Kirchen und die Presse. Was von den Versammelten abgelehnt wird. "Die Kirchen sind zu klein, die Massen gehen nicht rein", wird gerufen. Die Forderung vor den Versammelten zu sprechen hält Berghofer für Erpressung. (5) Erst sollte die Presse informiert und am folgenden Abend in Kirchen über das Gespräch informiert werden. Er spricht dann aber doch mit Hilfe eines Megafons zu der Menge, dass über die Presse und am nächsten Abend in Kirchen über das Gespräch informiert wird.

Am Abend gibt es im Rathaus eine Pressekonferenz. Einen Tag später wird in fünf Kirchen über die Gespräche berichtet.

Um eine Legitimation der Gruppe nach außen sichtbar zu machen starte ein Mitglied der Gruppe am 19.10., die Mehrheit lehnte die Aktion ab, die 1-Mark-Aktion. Alle, die die Gruppe unterstützen, wurden aufgefordert eine Mark auf ein Konto zu überweisen. Schon nach kurzer Zeit befanden sich 100 000 Mark auf dem Konto. Das Konto wird zeitweise gesperrt. Die Aufhebung der Sperre wird während des 3. Rathausgesprächs am 30.10. erreicht.

Es wurden auch Zettel verteilt, auf denen Bürger der Gruppe der 20 eine Vollmacht für ihre Vertretung erteilen konnten.

Am 26. Oktober sprechen erstmals Mitglieder der Gruppe der 20 auf der Stadtverordnetenversammlung, die vom Sender Dresden übertragen wird. Frank Neubert sagt dort u.a.: "Auch von Ihrer Arbeit wird es abhängen, ob die Bürger an die Wende glauben, die jetzt vielen so leicht über die Lippen geht." Er betont, dass das Mandat der Gruppe der 20 und den Stadtverordneten nur vorläufig seinen kann und die gemeinsame Pflicht bestehen würde, demokratisch gewählte von der gesamten Bevölkerung getragene Volksvertretungen zu ermöglichen. Beide hätten keine Legitimation.

Es wurden "Zeitweilige Arbeitsgruppen" eingerichtet. Sie sollten gegenüber der Öffentlichkeit und der Stadtverordnetenversammlung rechenschaftspflichtig sein. Am selben Tag gab es eine Dialogveranstaltung mit Berghofer und Modrow auf der Cocker-Wiese (6) mit 100 000 Teilnehmern. Die größte Dialogveranstaltung in der DDR.

Die von der Teilarbeitsgruppe "Wahlgesetz" später im Namen der Gruppe der 20 vorgelegten Vorschläge nannten als Autor Joachim Misselwitz von der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften in Potsdam-Babelsberg.

Während des dritten Rathausgesprächs am 30. Oktober wird die Gruppe offiziell anerkannt und bekommt Arbeitsmöglichkeiten. Es wird ihr ein Raum und Telefon zur Verfügung gestellt. Von der Gruppe wird gefordert, dass sie die Stadtverordnetenversammlung, in der sie mitarbeiten, als demokratisch gewählt anerkenne. Worauf sie sich aber nicht festlegen lässt.

Es werden zwei weitere Arbeitsgruppen "Entmilitarisierung der Gesellschaft" und "Reisen und Ausreisen" gebildet.

Jeden Montag Abend soll in der Kreuzkirche die Gruppe der 20 eine Informationsveranstaltung durchführen.

Der Gruppe wird das Recht auf Montagsdemos mit anschließender Kundgebung eingeräumt. Die erste genehmigte Demonstration findet am 06.11. statt. Sie wird noch zusammen mit dem Rat der Stadt vorbereitet. Bis dahin wurde spontan demonstriert. Berghofer und Modrow von der SED laufen an der Spitze der Demo. Was die meisten nicht so lustig finden.

Während des 3. Rathausgesprächs versammeln sich Bürger vor dem Rathaus. Ausgangspunkt einer Demonstration.

An die Staatsanwaltschaft der Stadt Dresden wird am 03.11.1989 ein "Offener Brief" geschrieben, indem die Bildung einer unabhängigen Untersuchungskommission gefordert wird. Außerdem solle ein Podiumsgespräch über die Ereignisse in Dresden zwischen dem 03. und 08.10. stattfinden. Die Bildung einer Untersuchungskommission, welche die staatlichen Übergriffe untersuchen sollte wird beschlossen. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung dazu erfolgt am 22./23.11.1989.

Die unabhängige Untersuchungskommission konstituiert sich am 07.12.1989. Die Gruppe der 20 stellt 12, die Stadtverordnetenversammlung 13 Mitglieder.

Am 2./3. November 1989 kommt es in Dresden zu einem Gespräch zwischen Vertretern der Gruppe der 20, dem Neuen Forum und dem Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Henning Voscherau (SPD).

Bei einem Treffen von Dresdner Gruppen am 04.11. werden unwiderrufliche Entscheidungen, die eine Restaurierung bisheriger Macht- bzw. Ohnmachtsverhältnisse unmöglich machen gefordert. Es wurde sich für eine Volksabstimmung über den DDR Verfassung Artikel 1Verfassungsartikel 1 eingesetzt. Neben dem Rücktritt der Regierung wurde in der Resolution ein neues Wahlgesetz, das eine Wahl zwischen Personen und alternativen Programmen zulässt als Forderung genannt.

Am 09.11.1989 wendet sich die Gruppe der 20 in einer Erklärung gegen das flucht- und panikartige Verlassen der DDR.

Während des 4. Rathausgespräch am 20.11. mit der Gruppe der 20 fordert ihr Sprecher, Herbert Wagner, neben der Stadtverordnetenversammlung einen "Kontroll- und Bürgerrat" einzurichten. Was abgelehnt wird. Vor Neuwahlen solle neben der Stadtverordnetenversammlung kein neues Gremium eingerichtet werden. Es werden Sitze und Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung angeboten.

Während der Tagung der Stadtverordnetenversammlung am 22./23.11. wird dem prinzipiell zugestimmt. Zwar sollen Sitze in Stadtverordnetenversammlung angenommen werden, auch das Rede- und Vorschlagsrecht in Anspruch genommen werden, nicht aber das Stimmrecht. Ein Grund war, mit den wenigen Stimmen könne kein Einfluss auf sie Abstimmung genommen werden. Auch bestand die Angst zusammen mit der PDS stimmen zu müssen. Das Argument, man habe kein Mandat von der Dresdner Bevölkerung galt aber für alle.

An den Prager Oberbürgermeister wird ein Telegramm gesendet, indem gebeten wird alles in seinen Kräften zu tun, dass an Stelle der Konfrontation zwischen friedlichen Demonstranten und Sicherheitskräften der Dialog tritt.

Wegen des Mitgliederrückganges bei der Gruppe der 20 wurden Mitglieder aus anderen der neu gebildeten Gruppen aufgenommen. Ab dem 06.12.1989 stießen zu der Gruppe je ein Vertreter aus dem Demokratischen Aufbruch, dem Neuen Forum und der Sozialdemokratischen Partei der DDR. Bereits am 23.10.1989 gab es ein Treffen der Gruppe mit dem "Ökologischen Arbeitskreis" der Dresdner Kirchenbezirke. Ergebnis war die Bildung von neuen Arbeitsgruppen.

Am 04.12.1989 wird in Dresden ein Koordinierungsausschuss ins Leben gerufen. Ihm gehörten neben der Gruppe der 20, Demokratie Jetzt, der Demokratische Aufbruch, die Initiative Demokratische Erneuerung, das Neue Forum, der Ökologische Friedenskreis der Dresdner Kirchenbezirke, die ökumenischen Arbeitskreise und die Sozialdemokratischen Partei der DDR an. In einer Resolution wurde der sofortige Rücktritt der Regierung gefordert.

Die Gruppe der 20 als auch das Neue Forum vermieden es bewusst Demonstrationen zum Gebäude der Staatssicherheit zu führen, da ein Blutbad befürchtet wurde. Was von der Gruppe Wolfspelz kritisiert wurde. Herbert Wagner berichtete später, wenn die Parole laut wurde: "Heute geht's zur Stasi", wurden die Ordner so postiert, dass die Demonstranten in eine andere Straße geleitet wurden.

Erst am 05.12. wurde von Arnold Vaatz vom Neuen Forum und Herbert Wagner über den Sender Dresden dazu aufgerufen sich um 17 Uhr beim Bezirksamt für Nationale Sicherheit einzufinden. Was zur Besetzung führte. Dem Bezirkschef der Staatssicherheit wird die Waffe abgenommen. Die Befreiung politischer Häftlinge gelingt nicht. Die sieben noch anwesenden Häftlinge sagten, die politischen Häftlinge seien schon weg und sie wollen nicht befreit werden. Wenn ihnen täglich Zigaretten gebracht werden, seien sie zufrieden. Ein Vertreter der Gruppe Wolfspelz sagt es zu. Es wurde ein Bürgerkomitee gebildet, welches die Gebäude besetzt hielten.

Bei seinem Besuch in Dresden, traf sich am 19.12.1989 der damalige Bundeskanzler Kohl mit Vertretern oppositioneller Gruppen. Darunter war auch die Gruppe der 20. Nachdem eine Äußerung von Herbert Wagners: "Wir werden dem Bundeskanzler in Dresden einen triumphalen Empfang bereiten", bekannt wurde, gab es Kritik aus den Reihen der Gruppe der 20. Im Vorfeld des Empfangs ließ Bundeskanzler Kohl wissen, er lehne eine Anwesenheit des SPD-Vertreters in der Gruppe der 20, bei dem Gespräch ab. Was die Gruppe der 20 hinnahm und keine Solidarität mit ihrem Mitglied zeigte.

Erst am 24.01.1990 gibt sich die Gruppe der 20 auf ihrer Gründungsversammlung einstimmig ein Statut.

Zum Vorsitzender wird Herbert Wagner gewählt. Stellvertreter und Pressesprecher wird Frank Neubert. Neben Mitgliedern gibt es auch Kandidaten.

Die staatliche Anerkennung erfolgt in einem Schreiben des Rats der Stadt Dresden vom 05.02.1990.

Nachdem sich die Basisdemokratische Fraktion am 18.01.1990 konstituiert hatte, nahm sie erstmals am 25.01. an der Stadtverordnetenversammlung teil. Die Basisdemokratische Fraktion hatte 30 Sitze. Mitglieder stellten die Arbeitsgemeinschaft Frieden der Dresdner Kirchenbezirke, der Demokratischen Aufbruch, die Grünen Liga, die Grünen Partei, die Gruppe der 20, das Neuen Forum und die Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Um die Stadtverordnetenversammlung nicht aufzuwerten, wurde ein Stimmrecht abgelehnt. Auch wollten sie für deren Politik nicht den Kopf hinhalten. Das Rede- und Vorschlagsrecht wurde aber wahrgenommen. Am 16.02.1990 wird die Auflösung der Stadtverordnetenversammlung von der Basisdemokratischen Fraktion gefordert. Was diese aber ablehnt.

Die Gruppe der 20 nahm an der erste Umweltkonferenz Dresdner und Hamburger Ökogruppen im Februar 1990 in Dresden teil. Das Motto der Konferenz lautete: "Umwelt braucht Bewegung". In einer Erklärung wurde die Sorge geäußert, dass angesichts der Dynamik des Vereinigungsprozesses der beiden deutschen Staaten die Gefahr bestehe, dass die ökologischen und demokratischen Impulse, die die Umwälzung in der DDR im Oktober 1989 getragen haben, auf der Strecke bleiben.

Im April 1990 sprach sich die Gruppe der 20 gegen einen weiteren Verbleib des bisherigen Oberbürgermeister Berghofer nach der Wahl am 06.05.1990 aus.

Ende April veröffentlichte die Gruppe der 20 in der CDU Zeitung "Union" einen eigenen Verfassungsentwurf für das Land Sachsen. Der Entwurf wurde von Arnold Vaatz verfasst.

Der Verfassungsentwurf war die Grundlage für die Diskussion über eine Verfassung auf den Treffen im Bezirkskirchenamt in Dresden-Striesen.

Die SPD bemühte sich zur Kommunalwahl um eine Listenverbindung mit parteilosen Mitgliedern der Gruppe der 20. Die SPD hatte bei der Volkskammerwahl in Dresden nur einen Stimmanteil von 10,96 Prozent erreicht. Bei der Kommunalwahl wurde kein besseres Ergebnis erzielt.

Die Gruppe der 20 gründete eine Freie Wählervereinigung, die zur Kommunalwahl antrat. Es wurden sechs Sitze erreicht. Die Freie Wählervereinigung wurde für zwei Jahre Mitglied einer großen Koalition.

Zusammen mit der Deutschen Verlagsanstalt, Mehrheit in Besitz der FAZ, gab die Gruppe der 20 ab dem 09. März 1990 die Wochenzeitung Sachsenspiegel heraus.

Am 25. Februar 1990 treten Frank Neubert, Arnold Vaatz und Herbert Wagner zur CDU über. Am 16.05.1990 wird auf einer Versammlung die Auflösung der Gruppe zum 31.05.1990 beschlossen.

Personell unterschied sich die Kerngruppe der 20 von den sich im Herbst gebildeten Gruppen. Während in erster die Arbeiter die größte Gruppe stellten, war dies in den anderen Gruppen Akademiker. Politisch hatte das aber keine Auswirkung.

Nach der Erinnerung Herbert Wagners setzte er sich dafür ein, dass der Ort der beabsichtigten Rede des damalige Bundeskanzler Kohl in Dresden am 19.12.1989 vor der Ruine der Frauenkirche erfolgen sollte. Die damit beabsichtigte Symbolkraft verschwieg er seinen Mitplanern und schob als Begründung die bessere Sichtbarkeit für die Dresdner vor. (7)

Herbert Wagner wurde später Oberbürgermeister in Dresden.

Frank Richter schaffte es bis an die Spitze der Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen. Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, kritisierte ihn im Januar 2001, er habe Pegida einen Raum für eine Pressekonferenz zur Verfügung gestellt. Im Oktober 2017 erhielt Frank Richter die Dresdner Ehrenmedaille.

In Görlitz und Plauen gab es eine "Gruppe der 25". Die plauener Gruppe führte das erste Gespräch mit dem dortigen Bürgermeister am 12.10.1989. Die Gruppe wurde am 26.10. für das nächste Rathausgespräch am 08.11. auf 20 reduziert.

Rathausgespräche gab es in Karl-Marx-Stadt am 13.10. mit einer "Gruppe der 25" und in Halle am 15.10. mit einer "Gruppe der 15". Ähnliche Gruppen gab es in Freital und Meißen. In Stralsund gab es die "Stralsunder 20". In Mühlhausen bildete sich am 23.10. eine Dialoggruppe, nachdem die Demonstrationsteilnehmer vor dem Rathaus nur durch die Ankündigung von Gesprächen beruhigt werden konnte. In dem Ort bildete sich eine 25köpfige Gruppe mit dem Namen "Veränderung jetzt".

Dialoge wurden oftmals nach der ersten Demonstration oder einer Demonstrationsankündigung gefordert bzw. angeboten. So etwa in Greifswald, Jena, Saalfeld und Weimar.

Die SED-Führung hoffte durch Dialogveranstaltungen die Menschen von Demonstrationen anzuhalten. Proteste sollten in staatliche Institutionen eingebunden werden. Eine der Forderungen der SED war der Dialogausschluss der neu entstanden Gruppen. Der "verfestigte feindlich-oppositionelle Personenkreis" sollte vom Großteil der "politisch Schwankenden, Irregeleiteten und politisch missbrauchten" isoliert werden. So die Absicht. Was aber gründlich misslang. Die neu entstanden Gruppen gingen gestärkt aus den Dialogveranstaltungen hervor.

Am 03.10.1989 setzte die DDR-Führung den pass- und visafreien Verkehr in die ČSSR aus. Die Hoffnung, die DDR in absehbarer Zeit verlassen zu können schwand damit noch ein weiteres Stück. In Dresden spitzte sich die Lage in der DDR besonders zu, weil die DDR-Führung darauf bedacht war Souveränität zu demonstrieren. Da die DDR-Bürger, die sich in der Prager Botschaft der BRD befanden, eine Rückkehr in die DDR, um von dort auszureisen, nicht zugestimmt hätten, schlug der damalige Außenminister der BRD Hans-Dietrich Genscher, so seine Aussage, u.a. vor, die Züge über DDR-Gebiet fahren zu lassen. Was dann auch geschah. Dieser Ausreiseweg führte über Dresden. Was zu Massenaufläufen und gewaltsamen Auseinandersetzungen am Bahnhof und in dessen Nähe führte. Wobei es zur Gewalt sowohl von den staatlichen Organen als auch von den Demonstranten kam.

In Berlin kam es am 07. und 08.10. zu gewaltsamen Übergriffen der staatlichen Organe hauptsächlich rund um die Gethsemanekirche auf friedliche Demonstranten und Teilnehmer einer Mahnwache. Handelte es sich in Berlin in ihrer Mehrheit um "Bleiber", (Rufe wie "Wir bleiben" und "Wir sind das Volk") waren es in Dresden am 04./05.10. den Tagen der Zugdurchfahrten und gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Mehrheit "Ausreiser". Mit der Losung "Wir sind ein Volk" wurde im Vorfeld neuer Demonstrationen versucht gewaltsame Auseinandersetzungen wie in Dresden zu vermeiden. Plauen am 07.10., Dresden am 08.10. und Leipzig am 09.10. waren dann richtungsweisend für die weitere Auseinandersetzung zwischen Bevölkerung und Staatsführung in den nächsten Tagen und Wochen.


(1) Berghofer, Wolfgang: Meine Dresdner Jahre, S. 168f
(2) Bahr Eckhard: Sieben Tage im Oktober. Aufbruch in Dresden, S. 142
(3) Berghofer a.a.O. S. 166
(4) Berghofer a.a.O. S. 178
(5) Berghofer a.a.O. S. 175
(6) Cocker-Wiese, benannt nach Joe Cocker, der dort am 02.06.1988 ein Konzert gab. Im Mai 2015 wurde dort eine Gedenktafel aufgestellt.
(7) Herbert Wagner in Eckhard Jesse (Hg.): Friedliche Revolution und deutsche Einheit, Sächsische Bürgerrechtler ziehen Bilanz, S. 107

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