Grüne Partei

Carlo Jordan zur bevorstehenden Volkskammerwahl

Herr Jordan, wagen Sie eine Prognose für Ihre Partei?

Wir knüpfen an die Wahl die Erwartung, dass künftig erstmals eine grüne Partei in einem osteuropäischen Parlament vertreten sein wird. Wir hoffen auf etwa fünf Prozent der Wählerstimmen. Unser Ziel ist, für den ökologischen Umbau der Gesellschaft einzutreten. Das haben zwar auch andere Parteien, auch die PDS, auf ihre Fahnen geschrieben. Aber wir meinen, dass unsere Partei am konsequentesten dafür eintritt.

24 Parteien und Vereinigungen stehen zur Wahl. Mit welcher könnten Sie sich eine "Ehe" vorstellen, und wer kommt nicht in die Partnerwahl?

Das wird nicht so sehr von uns abhängen, da sich die größeren Parteien ihre Partner aussuchen. Wir als Grüne sehen uns in großer Nähe zu den Bürgerbewegungen und sind im Bündnis mit dem Unabhängigen Frauenverband.

Auch die Bauernpartei und die SPD sind uns nicht fern. Wir würden ausschließen, mit der "Allianz für Deutschland" ein Bündnis zu schließen. Auch käme eine direkte Zusammenarbeit mit der PDS zur Zeit nicht in Frage.

Haben wir denn Überhaupt eine Chance, dass unsere Flüsse wieder sauber, die Luft wieder rein und die Wälder wieder grün werden?

Doch, die Chance besteht durchaus. Dafür tritt unsere Partei mit konkreten Vorstellungen an. Dazu müssen wir die Industriestrukturen beispielsweise des Leipziger Raumes verändern, eine Altlast der Nazizeit. Was hier gebraucht wird, ist so eine Art Gründerzeit. Dann wird es relativ schnell möglich sein, solche Gebiete wieder in Ordnung zu bringen. Ansonsten haben wir gar keine andere Wahl, als in allen Fragen der weiteren Entwicklung auch ökologisch heranzugehen. Wenn wir aber weiterhin die Lebensgrundlagen der Menschen vernichten, brauchen wir an keine Frage mehr heranzugehen.

Das klingt aber nicht gerade optimistisch.

Wir als Grüne Partei gehen eigentlich sehr optimistisch die Sache an. Eben, weil wir glauben, dass es viele vernünftige Menschen gibt, die sich durch Wahlreden nicht in Konsumhysterie versetzen lassen, sondern, für eine liebenswerte Umwelt antreten.

PETER KIRSCHEY

aus: Neues Deutschland, Jahrgang 45, Ausgabe 64, 16.03.1990, Sozialistische Tageszeitung. Die Redaktion wurde 1956 und 1986 mit dem Karl-Marx-Orden und 1971 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet.