Smog ist keine Wettererscheinung

Die Vermeidung sollte Vorrang haben / Autosperrgebiet muss größer sein

Dass unsere viel besungene Berliner Luft schon längst nicht mehr das ist, was sie einmal war, belegen die zahlreichen Gesundheitsstörungen und Krankheiten, die in direktem Zusammenhang mit der Verunreinigung der Luft zunehmen. Atemwegserkrankungen und Allergien stehen dabei an der Spitze, besonders betroffen sind unsere Kinder.

BZ informierte kürzlich (18. 9. 1990) über den Entwurf für eine Gesamtberliner Smogverordnung. Im Sommer gab es die erste öffentliche Beratung dazu. Reichte im ursprünglichen Entwurf des Westberliner Senats die Zone des Autosperrgebiets bis an den Wannsee (umfasste faktisch also das ganze Westberliner Stadtgebiet), so war für den Ostteil lediglich Stadtmitte vorgesehen. Grüne Liga, Grüne Partei und andere forderten die Einbeziehung der hochbelasteten Gebiete im Ostteil der Stadt und eine Ausweitung des Autosperrgebiets analog der Vorschläge der Westberliner Umweltsenatorin. Der vorgelegte Entwurf ist somit ein Kompromissversuch der Bearbeiter. Das soll anerkannt werden. Aber befriedigend ist diese Variante nicht. Leider verbleiben bei Inversionswetterlagen auch in Marzahn und Hellersdorf, in Buchholz und Mahlsdorf die Schadstoffe in ihrem Entstehungsbereich, genauso wie in Tegel oder Marienfelde. Im Ostteil der Stadt fehlt es derzeit an Messstellen, eine flächendeckende Ausstattung ist erst in den nächsten Jahren geplant. Gibt es Smog nur dort, wo Smog gemessen wird?

Kritik ist auch an den Verfahren anzumelden, nach denen die Werte ermittelt werden, die zur Entscheidung über die Auslösung von Smogalarm verwendet werden. Je länger der Zeitraum gewählt wird, in dem Schadstoffe den kritischen Wert überschreiten müssen, um so seltener wird Smogalarm ausgelöst. Das ist natürlich im Interesse der Wirtschaft, Ökologisches Verantwortungsbewusstsein und gesundheitspolitisches Gewissen sollten da aber nicht den Rückzug antreten.

Dass unser öffentlicher Personen-Nahverkehr unzureichend auf solche Situationen vorbereitet ist, können wir auch nicht als Argument gelten lassen. In der Perspektive haben Bahn und Bus sowieso Vorrang. Aber attraktiv müssen sie sein, schnell und komfortabel. Im Smog-Artikel der BZ war davon die Rede, die Autofahrer-Lobby nicht zu verärgern: Autofahrer werden durch das Luft-Schadstoffgemisch, das sie selbst mit verursachen, ebenso beeinträchtigt wie Fußgänger. Oder wollen wir vielleicht lieber auf Heizung verzichten oder unsere Betriebe stilllegen, nur um Auto zu fahren? Das darf man sicher auch einem ausgesprochenen Autofanatiker nicht unterstellen.

Man sollte aber öfter daran erinnern, dass die gleiche Schadstoffmenge, bei der Smogalarm ausgelöst wird, tagtäglich produziert wird. Denn Smog ist keine Wettererscheinung. Normalerweise verteilt der Wind die Schadstoffe nur ins Umland, zu „den andren", in den Wald usw. Unsere Biosphäre belasten sie in Jedem Fall.

M. Löber
Grüne Liga

PODIUM – Die Seite der und für die BürgerInnen-Bewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Nr. 225, Mi. 26.09.1990

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