Aufrufruf

zur Einmischung

Es ist schon fast ein Vierteljahr her, da wurde von einem Gesetzentwurf zum Zivildienst gesprochen. In Frankfurt (Oder) bildete sich eine Arbeitsgruppe, die konstruktive Vorschläge zum Gesetzentwurf erarbeitete und diese der Volkskammer im Dezember 1989 unterbreitete. Es gab Kontakte zu ähnlichen Arbeitsgruppen, aus denen Anregungen mit in den Entwurf einflossen. Unterschieden sich die Vorschläge im Detail, so war ihnen eines gemeinsam; der Zivildienst muss eine gleichberechtigte Alternative zum Wehrdienst sein, der Dienst am Gemeinwohl muss dem Schutz des Gemeinwohls gleichberechtigt sein. In der 14. Tagung der Volkskammer erfolgte die erste Lesung eines Gesetzentwurfes zum Zivildienst. Vergeblich wartete die AG auf eine Veröffentlichung.

Die persönliche Vorsprache bei der Pressestelle der Volkskammer ergab, dass der Entwurf allen Zeitungen zur Verfügung stand, jedoch schon nach der ersten Lesung soviel Kritik hervorrief, dass er an die Ausschüsse zurückging. Es wird auf der 15. Tagung der Volkskammer nicht zur 2. Lesung kommen. Hier einen kurzen Ausschnitt aus dem Entwurf, damit deutlich wird, was sich der Ministerrat der DDR unter einer Alternative zum Wehrdienst vorstellt:

§ 1 (1) Wehrpflichtige, die aus Glaubens- oder Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnen haben Zivildienst anstelle des Wehrdienstes zu leisten, wenn sie einen Antrag stellen und dieser genehmigt wird.

§ 2 (1) Der Zivildienst dauert als Erstheranziehung um 6 Monate länger, als der Grundwehrdienst . . .

§ 4 (1) Der Antrag auf Zivildienst ist schriftlich einzureichen. Er ist ausführlich zu begründen, besonders hinsichtlich des bisherigen Lebensweges . . .

§ 5 (2) Bestehen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Angaben, ist die Entscheidung durch eine Kommission zu treffen.

§ 6 (1) Die Bestätigung des Antrages kann widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen zu ihrer Erteilung nicht oder nicht mehr gegeben sind.

Das sind nur wenige Beispiele einer Fülle von bürokratischen Fallstricken im Gesetzentwurf. Damit die Entscheidung zum Zivildienst nicht zu einem Irrlauf durch einen Gesetzdschungel wird, müssen unbedingt die Standpunkte der Betroffenen deutlich werden! Wir fordern Euch zur Mitarbeit auf! Schickt Eure Meinungen und Vorschläge an die Volkskammer oder an uns!

AG Zivildienst
NEUES FORUM
Frankfurt (Oder)
Karl-Liebknecht-Str. 9

Neuer Tag, Frankfurt (Oder), Nr. 21, 25.01.1990, 39. Jahrgang, Herausgeber: Verlag Neuer Tag