Ein Staatsvertrag
Er beginnt: Die hohen vertragsschließenden Seiten...
Tatsächlich gibt es eine hohe und eine niedere Seite, eine souveräne und eine dienende, eine kontrollierende und eine ausführende. Die DDR übernimmt ohne Anpassung dutzendweise die ordnungspolitischen Gesetze der BRD - die Bundesrepublik erweitert gnädig ein paar Vorschriften auf den Geltungsbereich DDR. Kaum eines der Gesetze kann ohne Probleme in unsere, seit 40 Jahren veränderten Verhältnisse übernommen werden - es fehlen Kontrollorgane, unabhängige Gerichte, Anwälte, ein Verfassungsgericht. Die Währungshoheit geht an die Bundesbank - nicht einmal Sitz, und Stimme im Zentralbankrat wurde uns gewährt. Alle Zahlungen und Kredite sind vom Bundesminister der Finanzen zu genehmigen - alle Rahmen sind vorgegeben. Der Vertrag entscheidet über unser gesamtes Produktivvermögen und über Grund und Boden, auch über unsere Staatsfinanzen - seitens der BRD ist nur der Staat zu Anschubfinanzierungen verpflichtet, das private Kapital natürlich nicht.
Wir erhalten die Mitspracherechte nicht einmal des kleinsten Bundeslandes, z.B. im Bundesrat. Für alle sozialen und politischen Folgen müssen wir allein gerade stehen; Hilfe wird vielleicht gewährt werden, vielleicht. Vielleicht vor den Wählen. Die D-Mark kommt als Geschenk mit Bedingungen, wirtschaftlich kommen wir an den Dauertropf.
Was, hier geschehen wird, welcher Betrieb überlebt und welcher schließt, wer Kredite erhält und wer in den Schuldturm geht, ob die verpatzte Infrastruktur saniert werden kann und wo und wie; alles ist nicht mehr unsere Entscheidung. Wir haben nur die Rahmenbedingungen zu schaffen damit das Kapital, das "scheue Reh" (so ein Abgeordneter der Koalition), nicht verscheucht wird. Man hat mit Schalk und Honecker Geschäfte gemacht und geduldig gewartet, bis wir uns selbst befreit halten - aber jetzt: Hinein!! Grund und Boden und Produktivvermögen werden freigegeben - nicht einmal die Bodenreform haben sie in den Treuhandvertrag als unantastbar hineingelassen. Sie pokern, als zögerten sie wirklich, mit uns zusammenzugehen. Angeblich sind wir pleite, und alles ist Ramsch: Beim Einkauf in den Geschäften, Gaststätten und Tankstellen hatten wir nicht diesen Eindruck!!
Der Staatsvertrag enteignet uns und ersetzt eine Verfassung. Das Volk Ostelbiens hat viermal bezahlt: in der preußischen Zeit, dann Reparationen für den Hitler-Krieg, dann für die Spaltung und jetzt für die Wiedervereinigung.
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