Neues Forum

Antrag an den Runden Tisch 15.1.90

Wir fordern die Regierung der DDR auf

1. Die Staatssicherheitsorgane zu einer verfassungsfeindlichen Organisation zu erklären,

2. die Befehlsstrukturen der Staatssicherheit und die Vernetzung der staatlichen Organe, insbesondere der Rechts- und Sicherheitsorgane mit dem ehemaligen MfS und dem SED-Apparat ist unverzüglich offen zulegen.

3. Alle von der SED-PDS und den Einheiten des ehemaligen MfS benutzten Sonderkommunikationsmittel wie z.B. Sondertelefon-, Fernschreib- und Richtfunkverbindungen sind sofort stillzulegen und zu demontieren. Die Zahl und die Art der Telefonanschlüsse des ehemaligen MfS sowie des SED-Apparates muss offen gelegt werden.

4. Die Archive und Akten der SED(-PDS) und ihrer Abteilungen bzw. Sekretariate Sicherheit auf allen Leitungsebenen sowie die Archive und Akten des Nationalen Verteidigungsrates und der Bezirks- und Kreiseinsatzleitungen sind offen zulegen und sicherzustellen.

5. Ermittlungsverfahren gegen die für die Einsätze der Staatssicherheitsorgane verantwortlichen Personen auf allen Leitungsebenen einzuleiten (Nationaler Verteidigungsrat - 1. Sekretär des ZK der SED, Bezirkseinsatzleitung - 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung, Kreiseinsatzleitung - 1. Sekretär der SED-Kreisleitung usw.),

6. unverzüglich sämtliche Einrichtungen der Staatssicherheit und aller ihrer Nachfolgeorganisationen zu schließen und allen ehemaligen Mitarbeitern Hausverbot zu erteilen,

7. das Wachregiment vollständig zu entwaffnen und aufzulösen,

8. Ermittlungsverfahren wegen Vernichtung von Beweismitteln gegen alle Personen einzuleiten, die für die Vernichtung der Akten der Staatssicherheit verantwortlich sind.

9. Die Zentrale des ehemaligen MfS in Berlin ist sofort zu schließen. Alle Akten und Materialien müssen unverzüglich sichergestellt werden.

10. Schweigeverpflichtungen und andere Abhängigkeiten sind aufzuheben, damit ungehinderte Ermittlungen möglich werden. Rechtsfolgen für Falschaussagen gegenüber den an Ermittlungen beteiligten Personen müssen unverzüglich definiert und inkraftgesetzt werden.

11. Die gegenwärtige Befehlslage der noch tätigen Mitarbeiter des ehemaligen MfS, im Besonderen der auf dem Gebiet der Aufklärung tätigen, ist offen zulegen.

12. Von der Regierung muss veranlasst werden, dass die Verbindungen des ehemaligen MfS bzw. AfNS zu den inoffiziellen Mitarbeitern sofort beendet werden. Die Weiterführung der Verbindungen zu den inoffiziellen Mitarbeitern und die Neuanwerbung von inoffiziellen Mitarbeitern sind öffentlich als unzulässig zu erklären. Bis zu einer endgültigen Klärung muss die Liste der inoffiziellen Mitarbeiter erhalten bleiben.

13. Alle Überwachungsmethoden der operativen Abteilungen sowie die Methoden der Untersuchungsorgane des ehemaligen MfS sind offen zulegen.

14. Die Finanzen einschließlich der Finanzierungsarten des ehemaligen MfS/AfNS müssen offen gelegt werden. Welche Zahlungen sind ab November 1989 bis heute aus dem Staatshaushalt an das ehemalige MfS bzw. AfNS getätigt worden? Es muss eine zentrale und bezirkliche Finanzrevision zur Kontrolle bzw. Aufdeckung der finanziellen Machenschaften des ehemaligen MfS/AfNS (Ausgleichszahlungen, Prämien, Zahlungen an inoffizielle Mitarbeiter) eingesetzt werden.

Für die verfassungswidrige Tätigkeit des MfS trägt die SED Verantwortung. Eine Namensänderung und der Austausch von Funktionären kann sie hiervon nicht entbinden. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, gegen die SED-PDS wegen des Verdachtes verfassungswidriger Aktivitäten zu ermitteln. Hiervon leiten wir ab, dass die immer noch bestehenden Machtstrukturen der SED-PDS aufgelöst werden müssen.

aus: Das Neue Forum - Selbstportrait einer Bürgerbewegung, Demokratiebewegung in der DDR, Materialien zur gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, DGB-Bundesvorstand, Abt. gewerkschaftliche Bildung, ohne Ort und Datum

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