Offenlegung der Namenslisten von Inoffiziellen Stasi-Mitarbeitern?

Wir verstehen die Gefühle und Bedenken in der Bevölkerung hinsichtlich der möglicherweise noch vorhandenen, demnach noch reaktivierbare Macht der Stasi. Angesichts dieser Möglichkeit wird die Forderung nach der Offenlegung der Namenslisten von Stasizuträgern immer massiver.

Wo nun existieren diese Namenslisten, und wie wird mit diesen verfahren?

Die Erkenntnisse darüber besagen, dass in den einzelnen Ämtern jeweils nur der Stasi-Beamte, der diese Leute "anheuerte" die wahren Namen sowie die konspirativen Adressen und Treffpunkte kannte. Ansonsten wurden diese Leute mit Decknamen versehen. Eine Liste mit den offiziellen und den Decknamen lag lediglich auf höheren Ebenen vor.

Es ist mit Sicherheit auszuschließen, dass in Kaderabteilungen von Betrieben, Institutionen usw. solche Listen vorhanden sind. Eventuell vorhandene Listen werden einer vereidigten Kommission zur Einsicht vorgelegt, die absoluter Schweigepflicht unterliegt. Danach werden die Listen versiegelt und an sicherem Ort verwahrt (Staatsarchiv). Sie sind Im Falle der Notwendigkeit nur der Staatsanwaltschaft zugängig.

Weiterhin möchten wir betonten, dass Hinweise über "ominöse" Listen, die sich im Umlaut befinden sollen, keineswegs den Tatbeständen entsprechen. Wir fordern jeden Demokraten auf, gegen diese Listen na argumentieren, um die daraus entstehenden Gefahren zu verhindere. Man muss bedenken, dass auf Grund kleinerer Vergehen, wie z. B. Verkehrsdelikt usw., Menschen erpressbar wurden. Nur jener wird Einsicht in seine Akte erhalten, der Repressionen und Strafverfolgung durch die Staat erlitten hat. Und auch das nur unter Eid. Dies deshalb, weil bestimmte Zeitpunkte, Konstellationen etc. betreffs der mit Decknamen aufgeführten Informationen eine Identifikation denselben möglich macht.

Weiterhin muss bedacht werden, dass die Akten alle nur mögliches, Sachverhalte beinhalten, vom Ehebruch bis hin zu anderen peinlichen Angelegenheiten.

Andererseits Ist aber auch zu fragen, wer denn wirklich durch seine aufrechte Haltung Opfer der Start werde: denn nur der hat ein Recht auf Rehabilitierung und Schadenersatz.

Eine Akte bei der Stasi erhielten auch Andersdenkende, Ausreisewillige, ehemalige SED-Mitglieder und wichtige Kader. Dies ist der Stand der Dinge Eine andere Verfahrensweise kann es nicht geben, das ist moralisch nicht vertretbar.

Keiner kann garantieren, dass eine Offenlegung von Namenslisten nicht Gewalt provoziert. Jene, die sich von der Staat anheuern ließen, weit sie erpressbar wurden, und auch jene Gesinnungstäter leben heute selbst in der Angst, die sie 40 Jahre lang verbreiteten. - Dennoch: Sie sind Menschen, haben Frau, Kinder, Familie.

Wir alle sind mit dem Willen zur Demokratie und gegen jegliche Gewalt angetreten. Und das ist auch weiterhin für uns eine bedingungslose Verpflichtung.

NEUER FORUM Aue

Plattform in der fp, Freie Presse, 03.02.1990, 28. Jahrgang, Karl-Marx-Stadt

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