Sind Frauen zu blöd für die Politik?

Immer wieder ein Balanceakt zwischen Familie, Beruf, gesellschaftlicher Aktivität

Frauen sind eigentlich keine soziale Randgruppe, werden jedoch behindert in ihrer Selbstbestimmung werden diskriminiert und an den Rand gedrängt, haben genau sowenig eine Lobby wie jene Randgruppen.

Warum ist das so?

Sind die Frauen selber daran schuld? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, je nach Herangehensweise sind verschiedene Antworten möglich. Aber: Was bedeutet es denn, wenn selbst Frauen aus unseren Reihen sagen, ideologisiert nicht das Thema "Frauen"!

Wir behaupten, dass Frauen und Männer eben nicht die gleichen Chancen haben, sich in politische Dinge einzumischen, und erst recht nicht, politische Funktionen zu übernehmen. Das Gegenargument heißt: "Wenn du nur wolltest, könntest du auch. Deine Entscheidung ist eine persönliche, und na ja, sie wird respektiert. Aber fange nicht an, gesellschaftliche Verhältnisse als Ursache anzuführen. Du bist die Ursache, hast dir selbst ausgesucht Kinder zu haben. Heim und Herd und Ehemann." Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit.

Denn woran liegt es, dass wir Frauen ständig entscheiden müssen, was Vorrang hat: Kinder, Familie, Beruf auf der einen oder die Politik auf der anderen Seite. Es sind doch wohl die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse, die es kaum zulassen, eine Balance zwischen beidem zu finden. So finden wir uns auch im NEUEN FORUM oft in unterstützenden, helfenden Tätigkeiten in den Büros oder auch in den Basisgruppen, wo noch am ehesten Rücksicht auf bemessenen Zeit- und Kraftfonds genommen wird. Denn politische Arbeit als Sprecherin, Abgeordnete, Geschäftsführerin verlangt geradezu unmenschlich viel Zeit und Kraft - ist nebenbei nicht zu schaffen.

Was ist zu tun, damit wir uns nicht weiter lächerlich machen, indem wir nach der Quotierung schreien, um anschließend feststellen zu müssen, dass keine Frauen da sind, die Funktionen übernehmen wollen. Die Losung dieses Dilemmas sollte nicht jeder Frau allein überlassen bleiben Sie wäre weiterhin abhängig von der Einsichtigkeit und Hilfsbereitschaft ihrer jeweiligen Lebenspartner, ihrer Verwandten, der Nachbarschaft. Hat sie niemanden, hat sie halt Pech . . .

Verantwortung fängt nicht erst da an, wo sie oder er bereit ist, sich in eine Funktion wählen zu lassen. Oft ist es verantwortlicher, abzulehnen, wenn von vornherein klar ist, dass die Aufgabe, aus welchen Gründen auch immer, nicht oder nur halb bewältigt werden kann. Unserem Selbstverständnis gemäß wollen wir Verantwortung nicht wieder delegieren - auch nicht den "richtigen Leuten" aufbürden, sondern wir wollen, dass sie geteilt wird.

Die zunehmende Arbeitslosigkeit, gerade von Frauen, und die damit verbundenen sozialen Härten, der Angriff auf sicher geglaubte Rechte, wie eine eigenständige ökonomische Existenz, oder auf die selbstbestimmte Schwangerschaft, machen es jetzt besonders wichtig, dass Frauen in Bürgerbewegungen ihre Interessen stärker einbringen können.

Eine zentrale Forderung des NEUEN FORUM ist die nach der Sicherung der ökonomischen Unabhängigkeit der Frau als grundlegende Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Von den Massenentlassungen sind in hohem Maße Frauen betroffen. Für sie geht es jetzt nicht einfach um einen harten Kampf um Arbeitsplätze. Frauen sollen als gleichberechtigte Anwärterinnen auf einen Arbeitsplatz überhaupt ausscheiden, denn die Abschaffung von Arbeitsplätzen ist begleitet vom Abbau der Plätze in kinderbetreuenden Einrichtungen, der Erhöhung der Kosten für solche Plätze, für Essen- und Milchgeld an den Schulen.

Was bleibt, ist der Ausweg in eine Ehe, um finanziell gesichert zu sein. Damit werden Küche und Kinder wieder zum ausschließlichen Feld der Kreativität von Frauen. Es darf aber nicht nur diese individuelle Lösung geben. Das NEUE FORUM sollte alle Bemühungen unterstützen, die Frauen und Männern erlauben, andere Lebensentwürfe umzusetzen.

Martina Krone
Irena Kukutz

NEUES FORUM

PODIUM – die Seite der und für die BürgerInnenbewegungen, Initiativen und Minderheiten in der Berliner Zeitung, Mi. 25.07.1990, Jahrgang 46, Ausgabe 171

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