Stephan Bickhardt

lernte Werkzeugmacher, da er kein Abitur machen durfte. Trat in die FDJ ein, um eine Lehrstelle zu erhalten. Studierte Theologie und Religionspädagogik von 1979-86 in Naumburg und Berlin. Studienreferent 1986-87 bei der ESG in Berlin. Pfarrer in Eberswalde (Brandenburg) 1991-1995, danach Studentenpfarrer in Leipzig. Polizeiseelsorger. Direktor und Studienleiter Religion der Evangelischen Akademie Sachsen.

Stephan Bickhardt war nicht bei den Pionieren. Verweigerte den Wehrdienst. Nicht-Teilnahme als Ausdruck von Freiheit. Sich-Nicht-Beteiligen war die Ablehnung des Systems.

Am 20.05.1983 nahm er mit selbst gefertigten Plakaten, die er sich umgehängt hat, an einer FDJ Demonstration teil. Auf der Bauchseite stand "Liebet eure Feinde" und auf der Rückenseite "Weisheit ist besser als Kriegswaffen". Nach wenigen Minuten wurde er festgenommen und die Plakate beschlagnahmt.

Ab 1983 Kontakte zu Gerd Poppe und Wolfgang Templin (später IFM). Beteiligte sich 1984 an der "Initiative für Blockfreiheit in Europa". Er gehörte der "Kontaktgruppe Charta '77", die sich 1985 bildete, an.

Eine Teilnahme am 4. Kongress über atomare Abrüstung in Europa im Juni 1985 in Amsterdam wurde ihn von den DDR-Behörden verwehrt. Er schrieb zusammen mit Martin Böttger einen Brief an die Teilnehmer.

Mitherausgeber der "radix-Blätter" 1986-1989. Unterschrieb im November 1986 das Memorandum "Das Helsinkiabkommen mit wirklichem Leben erfüllen".

Unterzeichnete ein Brief von Ludwig Mehlhorn an Erich Honecker vom 01.11.1986. Ihn ihm wird um die Einstellung des Verfahrens gegen Reinhard Lampe ersucht. Reinhard Lampe, 1989 Mitbegründer der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt, hatte am 13.08.1986 in einem leer stehenden Haus an der Mauer in Berlin ein Transparent entrollt "25 Jahre sind genug".

1986/1987 arbeitete er zusammen mit Reinhard Lampe und Ludwig Mehlhorn einen Text mit dem Titel "Antrag auf Absage an Praxis und Betrieb der Abgrenzung".

Mit Rainer Eppelmann schrieb er am 08.09.1987 einen Brief vor dem Honeckerbesuch in der Bundesrepublik an die Fraktionen der Volkskammer und der Bundessynode der Evangelischen Kirchen in der DDR in dem u. a. die Bildung einer Freundschaftsgesellschaft beider deutscher Staaten vorgeschlagen wurde. Die Gründung einer Freundschaftsgesellschaft in Westberlin am 29.05.1986 war ihm damals nicht bekannt. Teilnehmer eines Treffens am 12.10.1987 mit Vertretern einer US-amerikanischen Delegation, von Botschaftsangehörigen und dem Korrespondent der Frankfurter Rundschau in der DDR.

Am 31.01.1989 versuchte er beim Rat des Bezirks Berlin-Prenzlauer Berg eine Wählbarkeitsbescheinigung zu erhalten. Sie wurde ihm entgegen der damaligen Rechtslage verweigert. Mitunterzeichner eines offenen Briefes im Juli 1989, indem eine grundlegende Änderung der politischen Praxis verlangt wurde.

In einem Interview im August 1989 nannte er die Ausreiserbewegung die größten politische Opposition in der DDR. (1)

Gründungsmitglied von Demokratie Jetzt (DJ). DJ Geschäftsführer und Mitglied des Sprecherrates. Pressesprecher der Zentralen Wahlkommission zur Volkskammerwahl am 18.03.1990.

Nach der Wahlniederlage der Bürgerbewegten sagte er: "Die Revolution hat ihre Kinder entlassen". 1992 meinte er: "Die frühe Entscheidung der DDR Opposition gegen eine Revolution in den Betrieben und die Ängstlichkeit vor der Machtausübung hat dieses Spektrum binnen zwei Jahren in die gesamtdeutsche Opposition der Alternativen gebracht."

Einen Offenen Brief an Sportlerinnen, Sportler, Verbände und Sponsoren zur Teilnahme an den Olympischen Spielen in China unterschrieb er im April 2008. In im heißt es: "Auch weil sich bereits zwei deutsche Diktaturen mit den Leistungen von Sportlern schmückten, ist die öffentliche Debatte zu diesem Thema notwendig und die Teilnahme an den Spielen in Peking eine Gewissensfrage".

Während einer Diskussion im Oktober 2012 äußerte er sich besorgt über die derzeitige Entwicklung in Ungarn. Im Februar 2014 unterschrieb er einen Offenen Brief der Ermutigung von Wolf Biermann an Vitali Klitschko.

Im Oktober 2015 unterschrieb er einen Offenen Brief, der mit den Worten beginnt: "Sehr geehrte Frau Dr. Merkel, wir unterstützen Ihre Politik der offenen Grenzen. Wir unterstützen Ihre Flüchtlingspolitik und Ihren Einsatz um der Menschen willen. Mit größtem Respekt sehen wir Ihre feste Haltung zur Aufnahmeasylsuchender Flüchtlinge bei uns in Deutschland."

Einen Aufruf, Norbert Lammert zum nächsten Bundespräsidenten zu wählen unterschrieb er im Oktober 2016. Er unterschrieb eine von ihm mitverfasste Gemeinsame Erklärung zu Chemnitz vom 05.09.2018.

Er unterschrieb einen Offenen Brief an die Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" vom 29.05.2019. Darin wird gefordert, den Beginn der Feierlichkeiten nicht auf den 9. November, wie bisher geplant, sondern auf den 9. Oktober zu datieren.

Er unterschrieb einen Offenen Brief vom 28.06.2019, indem gegen den geplanten Auftritt von Gregor Gysi am 09.10.2019 in der Peterskirche in Leipzig protestiert wird.

Er unterschrieb die Offene Erklärung vom 18.08.2019 "Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf", durch die AfD.

Eine Grußadresse an die Demonstranten in Belarus unterschrieb er im September 2020.

Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 unterschrieb er die Erklärung "Hisst die ukrainische Flagge überall!"

Er unterschrieb einen offen Brief vom 03.06.2022, indem die Evangelischen Kirche aufgefordert wird zu prüft, wie die Mitgliedschaft der Russisch Orthodoxen Kirche im ÖRK ausgesetzt werden kann. Der Stimme der Leidenden in der Ukraine soll klaren Vorrang einräumen werden.

Im April 2023 unterschrieb er einen Offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz, er solle sich verstärkt für Maßnahmen gegen die menschengemachte Klimawandel einzusetzen.

Stephan Bickhardt spielte in der Jugend Bassgitarre und war Radiobastler.

Am 06.10.2014 erhielt er das Verdienstkreuz am Bande aus den Händen von Joachim Gauck. Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Zentrum Solidarność.

(1) die tageszeitung, 15.08.1989

Links
Protest gegen Krieg und Aufrüstung (MfS 20.05.1983)
Brief von Stephan Bickhardt und Martin Böttger vom 25.06.1985 an die Teilnehmer eines Abrüstungskongresses in Amsterdam
Auskunfstbericht des MfS (21.11.1987)

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