Peter-Michael Diestel

war in der DDR Bademeister, Schwimmlehrer, Kraftsportler und Facharbeiter für Rinderzucht. Er erwarb das Rinderzüchterdiplom. Vizemeister im Melken 1969. Er wurde als "verdienter Melker des Volkes" ausgezeichnet. Seine Berufsausbildung war mit dem Abitur verbunden.

Seinen Grundwehrdienst bei der NVA leistete er in Leipzig. Gefreiter der Reserve.

Er träumte davon als Sportler eine Kinder- und Jugendsportschule besuchen zu können. Was an seiner Undiszipliniertheit scheiterte.

Er wurde konfirmiert. Er machte keine Jugendweihe. Er war weder bei den Jungen Pionieren noch in der FDJ. Im letzten Studienjahr trat er in die FDJ ein, "weil er so die Zeiten für die Volleyballhalle vergeben durfte". (1)

Zunächst wurde ihm das Jurastudium verweigert. Studierte von 1974 bis 1978 Jura in Leipzig. Wurde in der DDR als Rechtsanwalt nicht zugelassen. Sein größter Wunsch war es als Rechtsanwalt tätig sein zu dürfen. Ausgerechnet Justizminister Kurt Wünsche, der ihm zur Honeckerzeit die Zulassung als Rechtsanwalt tätig sein zu dürfen verweigerte, unterschrieb 1990 seine Anwaltsgenehmigung.

In einem Interview sagte er: "Ich habe als Jurist ein stark ausgeprägtes Rechtsbewusstsein, ein spezifisch Diestelsches Rechtsbewusstsein". (2)

Von 1978 bis 1989 Leiter der Rechtsabteilung der Agrar-Industrie-Vereinigung Delitzsch. Er wird 1986 über das LPG-Recht promoviert.

In den siebziger Jahren war er rund zwei Jahre lang Mitglied der CDU. Über diese Zeit sagte er später: "Diejenigen, die damals die Linie der Parteiführung nicht mitgemacht haben und in ihren Ortsgruppen was anderes diskutiert haben, habe ich leider nicht kennen gelernt". (3)

Er nahm an dem Treffen am 12.01.1990 in Leipzig teil, zu dem die Landesgruppe der CSU eingeladen hatte. Mitbegründer der Christlich-Sozialen Partei Deutschlands (CSPD) im Dezember 1989, deren Generalsekretär er wurde. Die CSPD sollte eine Alternative zur ehemaligen Blockpartei CDU sein.

Mitbegründer der DSU und ihr erster Generalsekretär bis Juni 1990. Am 30. Juni 1990 tritt Peter-Michael Diestel aus Protest gegen rechtsradikale Tendenzen in der DSU, aus der Partei aus und im Juli in die CDU ein. Austritt aus der CDU am 22.04.2021.

Er rechnete 1989/90 damit, dass mehrere Jahre bis zur deutschen Einheit vergehen werden, sagte er später in einem Interview. (4)

Bei einem Treffen mit dem damaligen Bundeskanzler Kohl in Dresden am 20.12.1989 soll er laut Herbert Wagner gesagt haben: "Herr Bundeskanzler, ich wünsche mir ein geeintes Deutschland unter Ihrer Kanzlerschaft". (5)

Er war der letzte DDR Innenminister und stellv. Ministerpräsident. Als es um die Vereidigung der Minister, und auf was den nun geschoren werden sollte ging, sagte er: "Ich lehne die Verfassung der DDR ab ...".

Weil Diestels Ministerium ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit einstellte, wurde er von großen Teilen der Bürgerrechtler heftig attackiert. Er wollte auch Markus Wolf für eine Mitarbeit gewinnen. Ministerpäsident Lothar de Maizière entband ihn von der Auflösung der Stasi. Diestel berichtete von mehreren Morddrohungen, die täglich bei ihm eingingen.

Im Mai 1990 teilte er mit, dass er den früheren Spionagechef, Markus Wolf, gebeten habe mit seinen Fähigkeiten und Kenntnissen der Regierung zur Verfügung zu stehen. Was dieser ablehnte. Nach den Erinnerungen Markus Wolfs soll Diestel zu ihm gesagt haben, "dass wir alle der Kriegsgefangenschaft entgegensehen". (6)

Das Bürgerkomitee "15. Januar" e. V. schrieb in einer Erklärung am 23.03.1992: "Permanent hinderte Diestel die Bürgerkomitees und die Bürgerrechtler in der Operativen Gruppe des Staatlichen Komitees zur Auflösung des MfS/AfNS, der STASI ihr Herrschdftswissen zu entreißen."

Und: "Für uns war Diestel schon immer der Schutzpatron der STASI. Er setzte das Werk des 'geordneten Rückzug' der Krenz, Modrow und Genossen konsequent fort. Unter seiner Ägide konnte sich der Spionagebereich der STASI unkontrolliert selbst auflösen und alle Beweismittel seiner vormaligen Tätigkeit vernichten bzw. beiseiteschaffen."

In seine Amtszeit 1990 fiel die Übergabe der Stasi-Abhörakten über BRD-Politiker an den Verfassungsschutz der BRD. Ihm wurden mit Jauck und Werthebach zwei Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums zur Seite gestellt. 1991 behauptete er, die "internationale Terroristenszene habe bis in die höchsten Kreise der DDR-Bürgerbewegung hinein" Kontaktpersonen gehabt. (7)

Weil in seiner Amtszeit die "RAF-Übersiedler" in der DDR aufflogen, glaubte er, er unterliege einer besonderen Gefährdung. Er legte sich eine Pistole zu.

Er stimmte am 23.08.1990 für den Beitritt der DDR zur BRD nach Grundgesetz Artikel 23Artikel 23 des Grundgesetzes. Am 13.09.1990 fand ein Antrag ihn von seinen Posten abzulösen keine Mehrheit in der Volkskammer.

Er übertrug die Hoheit über die Polizei in Ostberlin bereits am 01.10.1990 auf die westberliner Seite, da zu den Einheitsfeierlichkeiten am 03.10. Krawalle befürchtet wurden, um dann ein einheitliches Polizeioberkommando zu haben. Ab Oktober 1990 Abgeordneter im Landtag von Brandenburg und Fraktionschef. Rücktritt im Mai 1992.

Im Juni 1992 kündigte Peter-Michael Diestel an, eine Sammlungsbewegung mit dem Namen "Interessenvertretung der Ostdeutschen" gründen zu wollen. Beteiligte sich an der Gründung des "Komitees für Gerechtigkeit". Veröffentlichte 1993 mit anderen eine Erklärung "Versöhnen statt Vergeltung". Er gab eine persönliche Ehrenerklärung im Zusammenhang mit den Vorwürfen wegen der Stasi-Kontakte des brandenburgischen Ministerpräsidenten Stolpe ab.

1992 sagte er in einem Interview: "… Stolpe war absolut typisch für das, was die Kirche an Politikverständnis entwickelt hatte, an Lebens- und Überlebensphilosophie im Sozialismus". (8)

Nach Angaben von Peter-Michael Diestel wurde ihm 1993 von der SPD eine Kandidatur für den Bürgermeisterposten in Potsdam gegen den PDS-Kandidaten Kutzmutz angeboten. Bei der darauffolgenden Wahl 1998 wurde ihm von seitens der PDS eine Kandidatur gegen den SPD-Kandidaten Platzeck angeboten. Einen Übertritt in die "Schill-Partei" lehnte er 2001 ab.

Er wollte OB in Leipzig werden, wurde dann aber Innenminister. Er wurde drei Mal zum Gefreiten befördert, da er zwei Mal zuvor degradiert wurde.

Peter-Michael Diestel ist heute als Rechtsanwalt tätig. Er hat eine Kanzlei in Potsdam und Zislow in Mecklenburg-Vorpommern. Dort hat er auch einen Bauernhof.

Er nannte Joachim Gauck, ehemaliger Leiter der nach ihm im Volksmund benannten Behörde, als von der Stasi begünstigten. Die "Rosenholz-Dateien" nannte er "verlogenes, vagabundierendes Material". (9) "In der ganzen Welt gelten Geheimdienstler als Spinner. Nur bei uns werden die von ihnen hinterlassenen Berichte als Wahrheit angesehen", meinte er. (10)

In einem Interview 1992 nennt er Lothar de Maizière einen Christen, einen Preußen, einen Edelmann. (11)

Über Rainer Eppelmann sagte er 1992 in einem Interview: "Ich habe mit ihm oft zusammengearbeitet, aber ich halte Rainer Eppelmann für eine der opportunistischen Figuren, die ich kenne. Er steht für kein Programm, sondern für politische Eitelkeit." (12)

"Die Bürgerbewegung leidet an dem Syndrom, sie hätte die Freiheit der DDR-Bevölkerung erstritten. (…) Diese jakobinischen Hasser sind hervorragend geeignet, um irgendwelche Sachen kaputtzumachen, ich wiederhole es. Aber es muss doch irgendwann wieder einmal eine Maurerkelle in die Hand genommen werden. Und das können die nicht. Das können Bohley, Wollenberger und wie sie alle heißen, nicht. Sie haben nur das Zerstören gelernt, die waren damals gegen alles, und sie sind heute gegen alles. Das macht ihre Schwäche deutlich." (13)

"Im Grunde bin ich von de Maizière und anderen gedrängt worden, in die CDU einzutreten. Ich wollte mithelfen, aus der ostdeutschen CDU eine Partei zu machen, die sich zu ihrer Geschichte bekennt. Aber ich trat einem Verein bei, der den Anspruch erhob, jungfräulich zu sein. Ich bin in einer Organisation, in der kollektives Vergessen angesagt ist. Aber keine Partei war so unmoralisch wie die ostdeutsche CDU, die hat nämlich ihren christlichen Glauben, die christlichen Grundsätze, die christliche Ethik unter das Kuratel der SED und des Marxismus-Leninismus gestellt. Sie hat sich von allen am meisten vergewaltigen lassen." (14)

Über sich selber sagte er: "Aufsässig war ich, hab´die große Klappe gehabt, aber ich war kein Widerstandskämpfer." (15)

"Am 7. Mai 1989 ist ja nicht generell die Wahl gefälscht worden: Das ist eine glatte Lüge. Es wurde lediglich der Prozentsatz der Ja-Stimmen 'korrigiert'. Die führende Rolle der SED war doch auch durch Kritiker nie ernsthaft in Frage gestellt worden. (…) Was man Krenz und Honecker vorwirft, ist der Umstand, dass aus 92 schließlich 99 gemacht wurden." (16)

Als DDR Innenminister und stellv. Ministerpräsident besuchte er Erich Honecker.

Peter-Michael Diestel ist Ehrenpräsident des SC Potsdam und war zeitweilig Präsident des Fußballclubs FC Hansa Rostock und Präsident des Polizeisportvereins. In jungen Jahren boxte er.

(1) Der Tagesspiegel, 07.06.2002
(1) Der Morgen, 31.07.1990
(2) Ernst Elitz: Sie waren dabei, Ost-deutsche Profile von Bärbel Bohley zu Lothar de Maizière, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1991, S. 142
(3) Konstanze Borchert, Volker Steinke, Carola Wuttke (Hrsg.): Für unser Land, Eine Aufrufaktion im letzten Jahr der DDR, IKO-Verlag, 1994
(4) Herbert Wagner in Eckhard Jesse (Hg.): Friedliche Revolution und deutsche Einheit, Sächsische Bürgerrechtler ziehen Bilanz, Ch. Links Verlag Berlin 2006, S. 110
(5) Markus Wolf: Spionagechef im geheimen Krieg. Erinnerungen, Econ & List, München 1999, S. 17
(6) die tageszeitung, 22.11.1991
(7) Hans-Dieter Schütt, Peter-Michael Diestel: Rebellion tut gut. Ein Populist teilt aus, Dietz Verlag Berlin 1992, S. 114
(8) Berliner Zeitung, 20.08.2004
(9) Berliner Zeitung, 21./22.02.2009
(10) Hans-Dieter Schütt, Peter-Michael Diestel a.a.O., S. 76
(11) ebenda S. 56
(12) ebenda S. 109
(13) ebenda S. 25
(14) ebenda S. 30f
(15) ebenda S. 34f

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