Thomas Krüger

absolvierte eine Berufsausbildung zum "Plast-Elast-Arbeiter" im Reifenwerk Pneumat in Fürstenwalde. Er wollte Theaterwissenschaften studieren, wurde aber nicht angenommen, aus kaderpolitischen Gründen.

FDGB Mitglied 1977-79. FDJ bis 1976. NVA 1979-81. Währens seine Armeezeit wurde er wegen Befehlsverweigerung festgenommen. "Befehle verweigern, das war mein Sport", sagte er in einem Interview in der Berliner Zeitung online am 07.01.2015. "Und anderen Soldaten geholfen, Beschwerdebriefe aufzusetzen. Das war meine Inkubationszeit, mein Widerstandstraining."

Danach Studium der Theologie bis 1987. Vikariat in Berlin und Eisenach bis 1989. Vikar in der "Kirche von Unten" und in der offenen Arbeit tätig.

Arbeitete als Friedhofsgärtner und nebenberuflich als Vertreter der Staatlichen Versicherung.

Mitglied des Fortsetzungsausschusses Konkret für den Frieden 1988. Er solidarisierte sich mit den Festgenommenen nach der Luxemburg-Liebknechtdemo 1988 in Berlin.

Als er zu einem Prozess gegen Robert Havemann in Fürstenwalde wollte, wurde er 1979 festgenommen.

In der DDR sympathisierte er mit Willy Brandt. Und kurzzeitig in den 80ziger Jahren mit den Westgrünen.

Auf dem Treffen "Konkret für den Frieden VII" vom 24.-26.02.1989 in Greifswald wird er in den Fortsetzungsausschuss gewählt.

Bei der Kommunalwahl am 07.05.1989 gab er seine Nein-Stimme kurz vor Schließung des Wahllokals ab, um anschließend gleich bei der Auszählung dabei sein zu können.

Bis Mitte Oktober 1989 war er Kontaktperson für das Neue Forum in Berlin-Lichtenberg. Anfänglich sympathisierte er mit der "Böhlener Plattform".

Zur Gründungsversammlung der SDP kam er mit Verspätung, da zuvor die Stasispitzel abgeschüttelt werden mussten. Er bekam den Auftrag die westdeutsche Presse über die Gründung der SDP zu informieren. Außerdem sollte er den Aufnahmeantrag an die Sozialistische Internationale über die bundesrepublikanische Ständige Vertretung in der DDR zum damaligen Vorsitzenden Willy Brandt schmuggeln.

Die Gründungsversammlung trug ästhetisch gesehen Züge einer gottesdienstlichen Versammlung, meinte er später. (1)

Er plädierte dafür, einfach die Büros der Berliner SPD, die 1961 geschlossen worden waren, wieder zu öffnen. (2)

Im November 1989 nahm er an den Gesprächen mit Wissenschaftlern der Humboldt Universität Berlin teil, die sich als Berater anboten.

Abgeordneter in der Volkskammer 1990. Dort war er kurze Zeit Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

Bezirksvize und Geschäftsführer der SDP in Berlin. Wahlkampfleiter für die Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung 1990. Stadtrat für Inneres und Justiz. Stellvertretender Oberbürgermeister in Berlin 1990-91 und kommissarischer Oberbürgermeister für zweieinhalb Wochen. Solidarisierte sich mit den Besetzern der Stasi-Zentrale 1990.

Familien- und Jugendsenator in Berlin 1991-94. Aufsehen erregte er 1994, als er sich unter dem Slogan "eine ehrliche Haut", unbekleidet auf Wahlkampfplakaten ablichten ließ. Bundestagsabgeordneter 1994-98 und dort kulturpolitischer Sprecher der SPD. Auf eine erneute Kandidatur verzichte er, um ein "Babyjahr" einzulegen.

1995 forderte er die Ablösung des berliner Gesundheitssenators Peter Luther (CDU), der sich für eine "gute Diktatur" ausgesprochen hatte. (3)

Im März 1995 veröffentlichte er zusammen mit dem damaligen Kreuzberger Bürgermeister Peter Strieder ein Positionspapier, indem eine Zusammenarbeit mit der PDS propagiert wurde mit dem Ziel diese Partei zu marginalisieren. (4)

Nach Protesten von Evangelikalen und ihren Helfern distanzierte er sich 2008 von einem Artikel und seinem frühren Empfehlungsschreiben für die Zeitschrift Q-rage, die einen kritischen Artikel über Evangelikale enthielt.

Heute ist Thomas Krüger Chef der Bundeszentrale für politische Bildung. In dessen Eigenschaft meinte er im Februar 2012, der Verfassungsschutz und andere Anbieter von politischer Bildung an Schulen dürfen keine führende Rolle bekommen oder gar vom Kultusministerium eingeladen werden. Der Umzug nach Bonn war für den Punker, Thomas Krüger, ein kleiner Kulturschock.

Zu der Geschwindigkeit der Veränderungen in der DDR meinte er: "Im letzten Jahr der DDR erlebte ich immer wieder Tage, an denen Jahre vergingen". Und er findet es befreiend nicht auf die Gründungsmitgliedschaft reduziert zu werden. "Es dauerte nicht lange, da wurde klar, dass eigentlich West-Berlin des real existierenden Sozialismus war", meinte er. (5)

In einem Interview 1992 sprach er über eine Reise als Lehrling 1978 nach Polen: "Kaum waren wir über die Oder hinüber, fingen die SED-Genossen und FDGB-Gewerkschafter an, Nazi-Lieder zu singen." (6)

Zur Stasiunterlagenbehörde sagte er in einem Interview im Januar 2014: "Nein, man braucht keine eigene Behörde". Und im selben Interview: "Durch Pisa und G8 ist der Geschichts- und Politikunterricht leider eingedampft worden". (7)

Einem Vorschlag Lutz Rathenows, auch in den alten Bundesländern Stasibeauftragte zu etablieren, widersprach er im April 2014. Es gebe eine zentrale Anlaufstelle, die allen offen stehe, meinte er.

Für "den Fundus der Stasi-Unterlagen in die regulären Strukturen politischer Bildung zu überführen", sprach er sich im Januar 2015 aus. Zur Stasiunterlagenbehörde meinte er: "Behörden-Forschung ist eigentlich ein Unding". "Wir brauchen kein Aufarbeitungskombinat. Wir brauchen keine zentrale Instanz, die uns sagt, wie Vergangenheit zu erklären ist. Denn Vergangenheit ist immer interpretierte Gegenwart. Deshalb braucht es vielfältige Angebote." (8)

Nachdem der Chef der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung der Pegida am 19.01.2015 in Dresden Räume für ihre Pressekonferenz zur Verfügung gestellt hatte, kritisierte ihn der Chef der Bundeszentrale. "Als Träger der politischen Bildung folgen wir dem Kontroversitätsprinzip: was in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird, muss auch von uns so abgebildet werden. Die einseitige Raumvergabe für eine Pressekonferenz an eine parteiische Gruppierung, während gleichzeitig den Gegendemonstranten kein Angebot gemacht wurde, überschreitet eine rote Linie", sagte er. (9)

Im September 2018 unterschrieb er einen Offenen Brief, in dem für die Errichtung einer temporären Mauer ("DAU"-Projekt) in Berlin eingetreten wird.

In einem Interview in der Berliner Zeitung sagte er am 31.05.2019: "Man muss Kontrapunkte setzen zu einem unregulierten, marktwirtschaftlichen System das öffentliche Interessen klein und Profitgewinnung groß schreibt. So ein System kann nicht die Zukunft sein."

Er unterschrieb die Offene Erklärung vom 18.08.2019 "Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf", durch die AfD.

25 Jahre nach der DDR sagte er: "Nach wie vor gibt es Scheindebatten, in denen der Streit um die Hinterlassenschaften der DDR in der tagespolitischen Auseinandersetzung seine Wirkung entfaltet: Die Forderung nach genauerem Hinsehen, nach Analysen des Alltags in der Diktatur wird häufig als 'Weichzeichnen' verpönt und denunziert; die gebetsmühlenhafte Wiederholung des eingangs erwähnten Satzes von Adorno, dass es in der grauen Diktatur überhaupt 'kein richtiges Leben im falschen' habe geben können, wird als heldenhaftes Widerständlertum verklärt. Hat mal jemand versucht, nachzuzählen, wie viele wirklich widerständige Menschen es damals gab? Ich wäre schon froh, wenn wir da substanziell vierstellig werden würden. Ob ich bei einer solchen Zählung dabei wäre? Vielleicht war ich doch eher Aktionist als Aktivist, Angehöriger einer Generation, der mit den Narrativen des Kalten Krieges keine Identifikation mehr gelang."

Und: "Bis heute kommen in den Darstellungen von Museen und Gedenkstätten über zwei Drittel der DDR-Bevölkerung nicht vor." (10)

Während einer Podiumsdiskussion bezeichnete er Westberlin als die erfolgreichere Variante des real existierenden Sozialismus, weil sie hochsubventioniert war, auf der anderen Seite aber komplett entschleunigt, alternativ, absurd war. Etwas, das weder mit dem Westen noch mit dem Osten voll in Deckung zu bringen ist. (11)

"Wie wird 1989 erzählt? In der Bundeszentrale für politische Bildung, was ja eine Behörde im Geschäftsbereich des Innenministeriums ist, wird das Thema '30 Jahre Deutsche Einheit' aufgerufen. Und sie meinen 30 Jahre Mauerfall. Was ist das für eine Entwertung dieses Jahres 1989/90! Es handelt sich hier um ein ganzes Jahr, das 41. Jahr der DDR, in dem die Menschen Demokratie eingeübt haben, als sie diesen Systemwechsel vollzogen haben. Das einfach auszublenden und in eins zu setzen, so nach dem Motto '30 Jahre Mauerfall' gleich '30 Jahre deutsche Einheit', wird den Ereignissen nicht gerecht." (12)

Im September 2021 unterschrieb er einen Brief, der zur Solidarität mit Nemi El-Hassan aufruft.

Seit 1995 Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes. Zu dem Thema minderjährige verheiratete Flüchtlinge die nach Deutschland kommen zitiert in die Berliner Zeitung am 30.08.2016 mit den Worten: "Es kann nicht sein, dass solche im Ausland geschlossenen Ehen in Deutschland akzeptiert werden. Die Rechtslage muss entsprechend angepasst werden. Ehen können bei uns nur dann anerkannt werden, wenn beide Partner 18 Jahre alt sind." Und: "Ausnahmen sind unter Umständen dann denkbar, wenn Familiengerichte im Einzelfall zu der Einschätzung gelangen, dass die Untergrenze bei einem der Partner bei 16 liegt".

Mitglied im Rat für Kulturelle Bildung. Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz seit 2003.

Er war Sänger in der Band "Schlimme Limo". Er spielte in Theatergruppen mit und malte.

Mitglied beim 1. FC Union Berlin.

Matthias Matussek schrieb am 23.11.2009 im Spiegel über Thomas Krüger: "Jetzt ist der Bart ab, der Anzug ist italienisch, die Schule 'irgendwas Englisches', mit einem Wort: Er sieht aus wie alle anderen, enttäuschend."

Thomas Krüger rasierte sich von 1981 bis 1996 nicht.

(1) Thomas Krüger in: Markus Meckel, Steffen Reiche: Nichts muss bleiben wie es ist, Gedanken zur Gründung der Ost-SPD, S. 74f, vorwärts buch, 2010, S. 74f
(2) Sturm, Daniel Friedrich: Uneinig in der Einheit. Die Sozialdemokratie und die Vereinigung Deutschlands 1989/90. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH, 2006, S. 142
(3) die tageszeitung, 06.09.1995
(4) die tageszeitung, 26.12.2008
(5) Thomas Krüger in: Markus Meckel, Steffen Reiche: Nichts muss bleiben wie es ist, Gedanken zur Gründung der Ost-SPD, vorwärts buch, 2010, S. 79
(6) die tageszeitung, 18.09.1992
(7) Berliner Zeitung, 14.01.2014
(8) Berliner Zeitung, online, 13.01.2015
(9) Der Tagesspiegel, online, 20.01.2015
(10) Thomas Krüger in: Eckhard Jesse, Thomas Schubert (Hg.): Friedliche Revolution und Demokratie. Perspektiven nach 25 Jahren, Ch. Links Verlag Berlin 2015, S. 126f
(11) Thomas Krüger auf dem 26. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung 28.-29. Mai 2015
(12) Thomas Krüger auf dem 30. Bautzen-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung 09.-10. Mai 2019

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