Ludwig Mehlhorn

studierte Mathematik an der Bergakademie Freiberg 1969-1974. Programmierer an der HfÖ Berlin. 1985 erhielt er Berufsverbot und von 1981 bis 1987 Auslandsreiseverbot. Arbeitete danach als Hilfspfleger in Berlin.

Im Jahre 1984 verweigert er den Reservistenwehrdienst.

Seit 1969 Mitarbeiter bei der Aktion Sühnezeichen. Ab 1974 im Leitungskreis.

Er hatte besonders intensive Beziehungen zu Polen. Er hatte Verbindung zum Klub der Katholischen Intelligenz in Wroclaw.

Ab 1975 in verschiedenen Friedens- und Menschenrechtskreisen aktiv. In seiner Wohnung fanden Lesungen statt. Beteiligte sich an der "Initiative für Blockfreiheit in Europa" 1984. Unterzeichnete 1985 einen offenen Brief an die Teilnehmer der XII. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in Moskau.

Er gehörte der "Kontaktgruppe Charta '77", die sich 1985 bildete, an. Unterschrieb im November 1986 das Memorandum "Das Helsinkiabkommen mit wirklichem Leben erfüllen".

Am 01.11.1986 schrieb er an den Staatsratsvorsitzen Erich Honecker, in dem um die Einstellung des Verfahrens gegen Reinhard Lampe ersucht wird. Reinhard Lampe, der spätere Mitbegründer von Demokratie Jetzt, hatte am 13.08.1986 an der Berliner Mauer protestiert. U.a. rief er: "25 Jahre sind genug".

Herausgeber und Autor von illegalen Publikationen in der DDR. Mitherausgeber von "Aufrisse", "Spuren", "ODER" und der "radix-Blätter". Teilnehmer auf der 1. Kreisau Konferenz am 3./4. Juni 1989 in Wroclaw.

Er wurde vom MfS in den Operativen Vorgängen "Knacker" und "Mühle" überwacht.

1977 fand eine Hausdurchsuchung bei ihm statt. In seiner Wohnung wurden "Wanzen" angebracht.

Mitbegründer des Initiativkreises "Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung". Mitunterzeichner eines offenen Briefes im Juli 1989, indem eine grundlegende Änderung der politischen Praxis verlangt wurde. Mitbegründer von Demokratie Jetzt.

In einem Interview Anfang November 1989 sagte er: "Ich kann mir den Reformprozess in der DDR schwer vorstellen in der Konfrontation mit der SED". (1)

1990 befürwortete er die Veröffentlichung von ehemaligen Stasi-Wohnungen und -Objekte in der taz. In einem Interview meinte er 1992: "Ein entscheidender Fehler der Gruppen ist nicht der Runde Tisch selbst gewesen, wohl aber, dass man vom Runden Tisch aus noch in die Regierung Modrow eingetreten ist, ohne bestimmte Schlüsselpositionen zu besetzen."

Zum schlechten Abschneiden bei der Volkskammerwahl im März 1990 meinte er: "... die Ursachen dafür liegen erstens darin begründet, dass in den Gruppen der demokratischen Opposition keine überzeugenden Konzepte für den Weg nach vorn vorhanden waren. Die zweite Ursache besteht darin, dass diese erste freie Wahl, wie übrigens alle Wahlen in den exkommunistischen Ländern, Abrechnungswahlen gewesen sind. Es ist nach dem Kriterium gewählt worden, welche politische Kraft am sichersten garantierte, dass es keine Rückkehr zu den alten Verhältnissen geben kann." (2)

Zur Stasidebatte über Manfred Stolpe meinte er im Januar 1992 in einem Interview: "Stolpe hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er Gespräche mit der Stasi geführt hat." (3)

Einen Offenen Brief an Sportlerinnen, Sportler, Verbände und Sponsoren zur Teilnahme an den Olympischen Spielen in China unterschrieb er im April 2008. In im heißt es: "Auch weil sich bereits zwei deutsche Diktaturen mit den Leistungen von Sportlern schmückten, ist die öffentliche Debatte zu diesem Thema notwendig und die Teilnahme an den Spielen in Peking eine Gewissensfrage".

Mitarbeit bei der Heinrich-Böll-Stiftung. 1991 Referent im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg. Danach Studienleier für den Bereich Osteuropa der Ev. Landeskirche in Berlin-Brandenburg.

Offizierskreuz 1993, 25 Jahre Solidarność - Sondermedaille 2005, DIALOG-Preis der Deutsch-Polnischen-Gesellschaft Bundesverband 2009. Dankbarkeitsmedaille des Europäischen Zentrums Solidarność 2010. Postum wurde ihm das Kommandeurkreuz des Verdienstordens der Republik Polen 2011 verliehen.

Laut Carlo Jordan soll Ludwig Mehlhorn den Begriff "Bürgerrechtler", der in der DDR nicht gebräuchlich war, aus dem polnischen entlehnt und in der DDR eingeführt haben.

Der am 05.01.1950 in Bernsbach (Kreis Aue) geborene Ludwig Mehlhorn verstarb am 03.05.2011 in Berlin. Gerhard Weigt widmete 2015 ihm sein Buch "DEMOKRATIE JETZT Der schwierige Weg zur deutschen Einheit".

(1) die tageszeitung, 02.11.1989
(2) Ludwig Mehlhorn in: "Die Entzauberung des Politischen"
(3) die tageszeitung, 20.01.1992

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