Ehrhart Neubert
verweigerte den Wehrdienst. Studierte Theologie 1958-63 in Jena. Danach Vikar und Pfarrer in Niedersynderstedt. Ab 1973 Studentenpfarrer in Weimar. Soziologe in der Theologischen Studienabteilung beim Bund der Evangelischen Kirchen in Berlin ab 1984. Promoviert wurde er 1996. Fachbereichsleiter in der Abteilung Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR von 1996 bis 2005.
Robert Havemann riet ihm in die SED einzutreten, um Veränderungen von ihnen zu fördern. Er wurde dann Mitglied der CDU von 1976-1984. Im Jahr 1976 versuchte die Stasi ihn anzuwerben, erfolglos. In der BRD veröffentlichte er unter dem Pseudonym "Christian Joachim". Im Mai 1989 nahm er an einer Tagung in Bonn teil. Im Juni 1989 Mitglied des Initiativkreises zur Gründung des Demokratischen Aufbruchs (DA). Stellvertretender Vorsitzender und Mitglied am Zentralen Runden Tisch.
Mitte 1989 verfasste er eine Denkschrift, in der für eine sozialistische Alternative zum Weltwirtschaftssystem plädiert wird. Er beklagte, dass in der DDR die Beseitigung sozialer Ungleichheit nie richtig gelungen sei. Nach seiner Aussage von Ehrhart Neubert soll Wolfgang Ullmann nach der Maueröffnung zu ihm gekommen sein, um ihn dazu gewinnen, dass die neuen Gruppierungen zur Schließung der Grenze aufrufen sollen. Was aber Wolfgang Ullmann bestritt. (1)
Verlies den DA als er sich der CDU zuwendete. Er wollte das Bündnis mit der ehemaligen Blockpartei CDU nicht mittragen. Die DSU war für ihn eine dubiose Neugründung, von der man nicht wusste, woher kommen die Leute. Abgesehen davon, dass es einige ganz gute Leute dabei gab, sagte er später. Auch passte ihm zuvor schon der Kurs des DA-Vorsitzenden Wolfgang Schnur nicht. Er stelle bei sich selber als Oppositioneller eine gewisse Machtunfähigkeit fest, wie er später selbst erzählte.
Das Scheitern des DA waren nach seiner Meinung 1990 im Verlassen der ursprünglichen Intension zu sehen. (2) Im Herbst 1990 vertrat er die Auffassung, die komplette Übernahme des westlichen Systems ist für die politische Partizipation der DDR-Bürger ein Schritt zurück, zu weniger Demokratie. (3) Und, "wir wollen nicht im gesamteuropäischen Haus die Müllkippe des Kapitalismus werden". (4)
Mitarbeiter von Bündnis 90 im Landtag von Brandenburg von 1992 bis 1994. Er arbeite für Bündnis 90 im Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags, der sich mit den Stasivorwürfe gegen den damaligen Ministerpräsidenten Stolpe 1992-94 befasste, mit. Im März 1994 unterschrieb er den offenen Brief "Respekt Herr Nooke". (5)
Eintritt in die CDU im Dezember 1996. In der "Berliner Antwort" wandte er sich mit anderen gegen die "Erfurter Erklärung". In einem Interview sagte er 1997: "Für mich war die Emanzipation des Individuums mit linkem Gedankengut verbunden". (6)
Stellvertretender Vorsitzender des Bürgerbüro e.V. - Verein zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur. Fachbereichleiter in der Abteilung Bildung und Forschung beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen.
Er sprach sich gegen die Verwendung der "Kohl-Akten" im Untersuchungsausschuss zur CDU-Spendenaffäre aus. Am 01.12.2006 verließ er den Beirat der Zeitschrift "Horch & Guck". Mischt bei der maiglocke e.V. (Konkurrenzunternehmen zu den Jugendweihen) mit. Im Februar 2014 unterschrieb er einen Offenen Brief der Ermutigung von Wolf Biermann an Vitali Klitschko.
Einen Aufruf, Norbert Lammert zum nächsten Bundespräsidenten zu wählen unterschrieb er im Oktober 2016.
Er unterschrieb einen Offenen Brief vom 28.06.2019, indem gegen den geplanten Auftritt von Gregor Gysi am 09.10.2019 in der Peterskirche in Leipzig protestiert wird.
Er unterschrieb die Offene Erklärung vom 18.08.2019 "Nicht mit uns: Gegen den Missbrauch der Friedlichen Revolution 1989 im Wahlkampf", durch die AfD.
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24.02.2022 unterschrieb er die Erklärung "Hisst die ukrainische Flagge überall!"
Für die deutsche Ausgabe des "Schwarzbuch des Kommunismus" schrieben er und Joachim Gauck ein Kapitel über die DDR.
In seinem Vortrag "Christlich-kulturelle Tradition im Alltagsleben der DDR und im vereinten Deutschland", in der Enquete-Kommission "Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit", sagte er:
"Die Stabilität von Konfessionslosigkeit hängt auch mit den anhaltenden Folgen der antichristlichen Propaganda zusammen. Dazu zählt heute ein fast vollständiges Bildungsdefizit in der konfessionslosen Bevölkerung. Dieser Wissensabbruch ist in der christlichen Geschichte Europas einzigartig. Mehr noch wirkt, dass die Grundmuster der ideologischen Indoktrination nach wie vor funktionieren."
Und: "Öffentliche Aufmerksamkeit gewannen die Auseinandersetzungen um das Unterrichtsfach 'Lebenskunde Ethik Religion' (LER) im Land Brandenburg. Dieses Fach wird inzwischen zu einem politischen Instrument zur Verhinderung von Religionsunterricht in den Schulen. In dem Streit um das Fach reproduzieren sich Haltungen gegenüber der Kirche, die aus der verinnerlichten Platzanweisung von Kirche und Religion zur Zeit der SED-Kirchenpolitik herrühren."
Über den Auftritt Ehrhart Neuberts auf dem Siemens-Forum schreibt Ingo Bach im Tagesspiegel am 19.02.1998: "Die ehemaligen DDR-Bürger seien zu nachsichtig, wie man am Beispiel des Brandenburger Ministerpräsidenten Manfred Stolpe sehen könne. Obwohl jeder wisse, dass Stolpe einen Stasi-Orden empfangen habe, sei er beliebter denn je, so Neubert. Die Menschen im Osten seien einfach zu unpolitisch und anfällig für autoritäre Führungen. 'Der Westen muss weiterhin politische Entwicklungsarbeit im Osten leisten', forderte das jetzige CDU-Mitglied Neubert".
In seiner Schrift: "Der Brief aus Weimar zur Selbstbefreiung der CDU im Herbst 1989", stilisiert er 2014 die CDU-Basis 1988/1989 mit zur Sperrspitze im Kampf gegen die SED-Herrschaft hoch.
(1) Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.11.1999
(2) Neubert, Ehrhart: Eine protestantische Revolution
(3) Thomas Klein: "Frieden und Gerechtigkeit!", Die Politisierung der Unabhängigen Friedensbewegung in Ost-Berlin während der 80er Jahre
(4) Jesse, Eckhard (Hg.): Eine Revolution und ihre Folgen
(5) die tageszeitung, 28.03.1994
(6) die tageszeitung, 19.02.1997