DDR 1989/90 Brandenburger Tor

Streit der Meinungen und Ideen am "Runden Tisch"

OB lud Vertreter von Initiativen zu erstem Gespräch ein

Der Oberbürgermeister hatte für Montag Nachmittag ins Rote Rathaus an den "Runden Tisch" geladen, und viele Vertreter von Parteien und politischen Gruppen, die bisher nicht den Parlamenten angehören, kamen. Gemeinsamer Anknüpfungspunkt der Aussprache, an der auch Stellvertreter des OB, Stadträte und Vorsitzende Ständiger Kommissionen der Stadtverordnetenversammlung teilnahmen: Wie soll es in unserer Stadt im Zeichen der Erneuerung weitergehen, was können wir für unser Land und unser Volk tun?

Doch zunächst kommt es darauf an, den "Runden Tisch" zu institutionalisieren, ihn als ein arbeitsfähiges Gremium zu etablieren. Dazu einigte man sich in teilweise heftiger, wenngleich sachlicher Debatte, dass der Magistrat bis zur nächsten Beratung am 21. Dezember den Entwurf einer Geschäftsordnung sowie eines Themenkatalogs erarbeitet. Oberbürgermeister Erhard Krack (SED) sagte ferner zu: An der kommenden Stadtverordnetenversammlung, die für den 13. Dezember einberufen ist, können alle Interessenten von außerparlamentarischen Vereinigungen teilnehmen und erhalten dort Rederecht. Ein weiteres Ergebnis der Aussprache: Sobald wie möglich soll im Rathaus eine Informationsstelle öffnen, in der alle Bürger Faktenmaterial zur Entwicklung Berlins einsehen können. Auch an dessen Ausleihe ist gedacht.

Heftige Kritik war anfangs von den neuen Parteien und Gruppen an ihren unzureichenden Arbeitsbedingungen geübt worden. Der Oberbürgermeister versicherte, er werde sich dafür einsetzen, dass Arbeitsräume und technische Ausrüstungen zur Verfügung gestellt werden. Wie Sebastian Pflugbeil vom Neuen Forum in diesem Zusammenhang bemerkte, wurden der Gruppierung nunmehr Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Damit könne die Besetzung von drei Wohnungen in der Mollstraße 31 beendet werden.

Mehrfach wurde bereits auf dieser ersten Zusammenkunft, an der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), des Neuen Forums, des Demokratischen Aufbruchs, von "Demokratie jetzt", der Vereinigten Linken, der Grünen Liga sowie der Initiative Frieden und Menschenrechte das Wort nahmen, über Ziele und Inhalte des "Runden Tischs" gestritten. Ibrahim BöhmeIbrahim Böhme (SDP) sprach sich für eine Kontroll- und Anwaltfunktion des Gremiums aus. Bis zur Konstituierung eines demokratisch gewählten Stadtparlaments müsse eine praktikable Zwischenlösung gefunden werden, sagte Marianne Birthler von der Initiative Frieden und Menschenrechte.

Mehrfach wurde die Legitimation von Stadtverordnetenversammlung und Magistrat in Frage gestellt Über den Zeitpunkt von Wahlen gingen die Meinungen auseinander.
Dr. Klaus Audersch Klaus Weber

Neues Deutschland, Di. 05.12.1989

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