DDR 1989/90 Brandenburger Tor


Am Mittwoch fand eine turnusmäßige Beratung des Runden Tisches der Jugend statt. Die Vertreter von 18 landesweit organisierten Jugendverbänden und -organisationen einigten sich dabei auf Modalitäten für eine Geschäftsstelle des Runden Tisches. Sie wird danach mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern eingerichtet, wobei sich die konfessionell gebundenen, die parteigebundenen und die autonomen Jugendvereinigungen und -organisationen auf jeweils einen Vertreter einigten. Sie arbeitet zuerst mit einem Mitglied der Jugend des Demokratischen Aufbruchs und einem Vertreter der FDJ. Die konfessionell gebundenen Jugendorganisationen werden in den nächsten Tagen einen Vertreter bestimmen.

Das Büro der Geschäftsstelle befindet sich im Gebäude des Zentralrats der FDJ. Finanziert wird die Arbeit der Geschäftsstelle aus dem Staatshaushalt und aus Spenden. Die Geschäftsstelle wird ausführendes Organ des Runden Tisches der Jugend und ihm rechenschaftspflichtig sein. Sie ist Kontaktstelle gegenüber den sich landesweit bildenden Jugendbewegungen, gegenüber dem Staat und ausländischen Jugendverbänden.

Junge Welt, Do. 04.01.1990

Der Runde Tisch der Jugend hat in seiner Beratung am Mittwochabend einen Eklat verhindert. Obwohl die Türen der Geschäftsstelle des Runden Tisches der Jugend weit offen stehen sollen, war für alle, die sich über die neuen Jugendorganisationen informieren wollen, bisher ein freier Zugang zur Geschäftsstelle im Haus des FDJ-Zentralrats nicht möglich. Die gute alte FDJ-Bürokratie: Personalausweis vorweisen, Personalien werden notiert. . . Kommt da jemand aus einem fremden Lande, potenzieren sich diese Schwierigkeiten noch - man gebärdet sich, als wär's der Mann vom Mond. . .

Am Mittwochabend nun die Forderung: Schluss mit dieser überlebten Prozedur! Nach knapp einstündigem (!) Hin und Her ein Kompromiss. Künftig gelangen die Besucher in Begleitung eines Mitarbeiters der Geschäftsstelle in deren Räume. Ohne Kontrolle. Mit dieser Lösung können alle leben, aber gedauert hat's (wie auch bei zeitraubenden Debatten zur Tages- oder Geschäftsordnung).

Junge Welt, Fr. 19.01.1990