Bauern fordern von Regierung entschlossenes Handeln

Erklärung des Bauernverbandes e.V. der DDR und des Genossenschaftsverbandes der LPG und GPG e.V. zur aktuellen Lage in der Landwirtschaft der DDR sowie zur bevorstehenden Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion

Die Situation in der Landwirtschaft der DDR wird von Tag zu Tag komplizierter. Obwohl der Ministerrat der DDR am 2.5.1990 Maßnahmen beschlossen hat, haben sich für die meisten Bauern und Gärtner sowie deren Betriebe noch keine Verbesserungen ergeben. Noch immer sind die Ställe mit Tieren überfülle, Schlachtvieh und Milch werden nur ungenügend abgenommen. Der Eierberg wächst unaufhörlich und Frühgemüse muss verfüttert oder untergepflügt werden. Gleichzeitig wird das Angebot solcher Produkte unserer Bauern und Gärtner in den Läden immer geringer.

Diese Tatsachen stimmen nicht überein mit dem Inhalt der Regierungserklärung vom 19.4.1990. Viele Bauern und Gärtner sind enttäuscht, in ihrem Namen fordern die Verbände die Regierung zu entschiedenem Handeln auf.

Ebenso wichtig ist es, Antworten darauf zu geben, wie das Eigentum der Bauern und Gärtner, der LPG und GPG an Grund und Boden dauerhaft und zuverlässig geschützt wird. Unverständlich ist es, dass die längst fällige Durchführungsverordnung zu zum Gesetz zur Übertagung volkseigener landwirtschaftlicher Nutzflächen in das Eigentum der LPG nicht in Kraft gesetzt wird. Die Regierung behindert damit die Durchführung des am 6.3.1990 von der Volkskammer beschlossenen Gesetzes.

Viele LPG und GPG, die volkseigene landwirtschaftliche Nutzflächen bewirtschaften, sehen im Kauf dieses Bodens eine grundlegende Voraussetzung ihrer wirtschaftlichen Existenz. Die Aufnahme von Krediten und Hypotheken auf jetzt in Eigentum befindliche Böden würde die Betriebe überfordern und schließlich ruinieren. Die Lösung dieser Frage im Interesse der in Genossenschaften arbeitenden Bauern und Gärtner muss durch die Regierung bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag unterstrichen werden.

Klare Entscheidungen werden von der Regierung auch erwartet zur Entschuldung von landwirtschaftlichen und gärtnerischen Genossenschaften, die durch frühere dirigistische staatliche Eingriffe mit hohen Krediten belastet sind. Die Existenz zahlreicher solcher Genossenschaften, aber auch das Entstehen einzeIbäuerlicher Wirtschaften ist ohne Entschuldung nicht gewährleistet.

Bauernverband und Genossenschaftsverband drängen wiederholt darauf, im Zusammenhang mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion Regelungen für eine mehrjährige Übergangs- und Anpassungsperiode für die auf dem heutigen Gebiet der DDR bestehende Landwirtschaft zu treffen.

Die Verbände betrachten die Schaffung rechtlicher Grundlagen zum Erhalt sowie zur Um- und Neubildung genossenschaftlicher landwirtschaftlicher Betriebe als eine der zentralen Fragen für die bäuerliche Existenzsicherung. Die Verbände stimmen mit der Regierung darin überein, kein neues LPG-Gesetz zu erarbeiten, sondern das Genossenschaftsgesetz in einer modifizierten Form anzuwenden. Bei der Erarbeitung dieser gesetzlichen Grundlage sollten beide Verbände unbedingt einbezogen werden.

Bauernverband und Genossenschaftsverband unterstützen die Regierung in ihrer Absicht, den Eintritt in die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion durch entsprechende Gesetze und Regelungen wirtschaftlich und sozial verträglich zu gestalten. Die Verbände verlangen jedoch, dass die Bauern und Gärtner umgehend darüber in formiert werden, welche Rahmenbedingungen insbesondere bei Steuern, bei Förderungsmitteln und Zuwendungen aus denn Staatshaushalt geschaffen werden und welche Mindestpreise und Quoten gelten sollen.

Die Verbände treten für Marktordnungsgesetze ein, mit denen geregelt wird, was zu welchen Preisen abgenommen wird. Wir sind auch dafür, ein Gesamtförderungsgesetz zu erarbeiten und die LPG und GPG ausführlich über diese sowie über wichtige Fragen des EG- und BRD Agrarmarktes, einschließlich der geltenden Marktpreise, zu informieren. Auch hier sprechen die Verbände die Erwartung aus‚ in die Lösung dieser grundlegenden Fragen ein bezogen zu werden. Ihre Bereitschaft dazu ist uneingeschränkt vorhanden.

Zum Umtauschkurs von 1:1 bei Löhnen, Gehältern und Renten vertreten die Verbände den Standpunkt, dass die objektiven Besonderheiten und die reale Lage der Bauern und Gärtner berücksichtigt werden müssen. Die Verbände akzeptieren die getroffenen Festlegungen zum Umtausch der Löhne, Gehälter und Renten sowie der Sparguthaben. Ein Umtauschverhältnis der übrigen Sparguthaben zum Kurs von 2:1 müssen wir doch ablehnen. Die meisten Bauern und Gärtner haben viele Jahre bei überdurchschnittlich langer täglicher Arbeitszeit und durch fleißige Arbeit in den Hauswirtschaften Ersparnisse angelegt, die zum großen Teil für den Erhalt ihrer Wohnungen und Höfe dienen. Auch künftig werden für diesen Zweck Spargelder verwendet werden müssen, jedoch bei höheren Bau- und Reparaturkosten sowie höheren Zinsen. Diese Besonderheiten des Lebens auf dem Lande, die nicht zuletzt Fragen der Dorfgestaltung berühren, dürfen nicht missachtet werden. Die Verbände fordern deshalb, dass Sparguthaben über die jeweils festgelegten Beträge hinaus für einen bestimmten Zeitraum eingefroren und später davon ein größerer Teil zweckgebunden für Investitionen, Werterhaltung usw. im Verhältnis 1:1 umgestellt werden können.

Bedacht werden sollte weiterhin, dass der größte Teil der Altersrenten in der Landwirtschaft zu jenen Bürgern gehört, die niedrige Renten erhalten werden. Für sie sollte sozial flankierende Maßnahmen festgelegt werden.

Beide Verbände fordern schließlich Ausgleichszahlungen für den Wegfall von Subventionen, da die vom Staat bisher getragenen Subventionszahlungen bei der Entwicklung des Realeinkommens immer mit berücksichtigt wurden. Erfolgen keine, wäre ein Sinken des Realeinkommens die Folge.

Bauern-Echo, Nr. 111, Mo. 14.05.1990

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