Erklärung von Burg Warberg
Auf Einladung des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes e.V. (DBV), Constantin Freiherr Heereman, trafen sich die Präsidenten folgender Verbände aus der DDR mit dem Vorstand des Deutschen Bauernverbandes am 14. und 15. Juli 1990 auf Burg Warberg bei Helmstedt:
Karl Dämmrich, Präsident des Bauernverbandes e.V. der DDR,
Dr. Edgar Müller, Präsident des Genossenschaftsverbandes der LPG und GPG,
Gerd Winzer, Präsident des Verbandes Deutscher Landwirte,
Kurt-Henning Klamroth, Vorsitzender des Landvolkverbandes Sachsen-Anhalt e.V.,
Gerhard Rappen, Vorsitzender des Mecklenburgischen Bauernverbandes e.V.,
Karl-Walter Funk, Präsident des Raiffeisenverbandes e.V. der DDR.
Sie gaben folgende Erklärungen ab:
Für gemeinsame Interessenvertretung
1. Alle Verbände stimmen darin überein, dass eine einheitliche landwirtschaftliche Interessenvertretung für alle Menschen, die in der Landwirt schalt tätig sind, in einem vereinigten Deutschland unabdingbar ist.
2. In den zukünftigen Ländern der DDR sollen Arbeitsgemeinschaften der oben angeführten landwirtschaftlichen Verbände die Voraussetzungen dafür schaffen.
3. Die Grundlage einer gemeinsamen Interessenvertretung ist das Bekenntnis aller Verbände zur freien Verfügbarkeit des Einzelnen über sein Eigentum. Das gilt insbesondere für die landwirtschaftlich genutzte Fläche wie auch für den Wald und das Jagdrecht.
4. Die Nutzung dieses Eigentums muss dem Eigentümer in freier Entscheidung überlassen bleiben (individuelle Bewirtschaftung, genossenschaftliche Bewirtschaftung, Pacht oder Kapitalgesellschaft).
5. Die Verbände stimmen darin überein, dass alle Mitglieder der bestehenden Produktionsgenossenschaften umfassend über ihre Rechte sowie über die finanziellen Folgen und Risiken der verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten informiert werden. Es muss gewährleistet sein, dass der Übergang von den LPG zu eingetragenen Genossenschaften und anderen Betriebsformen nur auf der Grundlage der freien Entscheidung des Eigentümers erfolgt. Die bisherigen LPG haben bis dahin die Aufgabe der ordnungsgemäßen Verwaltung des Eigentums. Die Verbände empfehlen, die Nutzung des Eigentums vorrangig auf dem Pachtwege zu regeln.
6. Ziel einer Entflechtung der bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Strukturen in der DDR muss sein, in der Europäischen Gemeinschaft leistungs- und wettbewerbsfähige Strukturen zu schaffen. Dafür werden sich die Beteiligten mit allem Nachdruck einsetzen.
Notstandsprogramm für DDR-Landwirtschaft erforderlich
Die Einführung der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli 1990 hat für die Menschen, die in der Landwirtschaft der DDR tätig sind, zum Teil zu katastrophalen Beeinträchtigungen und unsozialen Belastungen geführt. Die Verunsicherung nimmt von Tag zu Tag zu. Die auf Burg Warberg versammelten Verbände appellieren an beide deutsche Regierungen, die Menschen in den Dörfern in der DDR nicht im Stich zu lassen. Deshalb fordern sie:
1. Ein wirksames Notstandsprogramm zur sofortigen Verbesserung der Absatzsituation, insbesondere bei Milch, Schweine- und Rindfleisch. Die von der desolaten Situation in der Verarbeitung und im Handel der DDR ausgeloste Absatzkrise wird zur Zeit allein auf die in der Landwirtschaft tätigen Menschen abgewälzt.
2. Die nicht absetzbaren Mengen, insbesondere an Rind- und Schweinefleisch, Getreide, Milch und Zuchtvieh, müssen umgehend exportiert werden, vor allem m Rahmen der von der Bundesregierung vorgesehenen Hilfen für die bisherigen RGW-Staaten.
3. Deshalb sind unverzüglich funktionsfähige Verwaltungseinrichtungen zur Durchführung der Marktordnungsmaßnahmen zu schaffen. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, in ihre Verantwortung für alle Deutschen einzutreten und mit dem Einsatz von Verwaltungsbeamten aus der Bundesrepublik zu gewährleisten, dass die äußerst mangelhafte Administration in der DDR die schnelle und wirksame Entlastung der Märkte nicht langer verzögert.
4. Die im Haushalt vorgesehenen Finanzmittel, insbesondere für die Anpassungs- und Überbrückungshilfen, müssen unverzüglich freigegeben werden. Die Zwischenfinanzierung über Bankkredite darf nicht zu Lasten der Betroffenen vorgenommen werden.
5. Die Unzulänglichkeiten bei der Umstellung der Währungskonten, die teilweise zu erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten geführt haben, müssen schleunigst behoben werden. Dadurch muss gewährleistet werden, dass ein geordneter Übergang von den bisherigen LPG in zukunftsträchtige Strukturen erfolgt.
6. Es müssen sozial vertretbare Formen der Hilfe für die Menschen in solchen LPG, die zahlungsunfähig sind, geschaffen werden.
7. Das für die Reprivatisierung vorgesehene Forderungsprogramm muss unverzüglich in Gang gesetzt werden.
Bauern-Echo, Di. 17.07.1990