Kommuniqué einer Vorstandssitzung des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden

Der Vorstand des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden der DDR, der am Dienstag in Berlin getagt hat, übermittelte dem ADN folgendes Kommuniqué.

"In einer neunstündigen, leidenschaftlichen und kontroversen Debatte beschäftigte er sich mit der aktuellen politischen, insbesondere medienpolitischen Situation und fasste u. a. Beschlüsse zu folgenden Gegenständen:

1. Die Dynamik der gegenwärtigen gesellschaftlichen Prozesse und die unumgänglichen Veränderungen in der Medienpolitik unserer Gesellschaft machen es notwendig, einen außerordentlichen Kongress einzuberufen.

2. Der VFF folgt dem Vorschlag des Verbandes der Theaterschaffenden der DDR und beteiligt sich an einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aller Künstlerverbände, die Vorschläge an den XII. Parteitag der SED und an den Ministerrat ausarbeitet, in denen die Funktion und Stellung der Künstlerverbände den veränderten gesellschaftlichen Anforderungen entsprechend neu definiert werden.

3. Die Gleichsetzung der Interessen von Staat und Gesellschaft und von Partei und Gesellschaft in der Informations- und Medienpolitik hat entscheidend zur gegenwärtigen Vertrauenskrise geführt. Deshalb sind rechtliche Grundlagen, die von einer Trennung der Interessen ausgehen, zu erarbeiten. Sie sollen die Freiheit der Medien und die politische Unantastbarkeit der in ihnen Arbeitenden sichern, die Verantwortlichkeit eines jeden für sein Produkt herstellen sowie Instrumente einer demokratischen Kontrolle über die Medien schaffen. Bei der Ausarbeitung solcher Grundlagen und der Schaffung demokratischer Kontrollorgane über die Medien nimmt der Verband ein entscheidendes Mitspracherecht in Anspruch. Der Verband schlägt dem Verband der Journalisten vor, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu bilden, die die erforderliche Zuarbeit für ein Presse-und Mediengesetz leistet, das der Volkskammer der DDR zur Verabschiedung zugeleitet werden soll.

4. Das Fernsehen der DDR und alle Medien werden aufgefordert, einen direkten und offenen Dialog mit allen gesprächsbereiten, auch informellen Gruppen, die auf dem Boden der Verfassung der DDR stehen, zu führen. Das Fernsehen der DDR wird darüber hinaus aufgefordert, seine Kanäle ab sofort für die Dokumentarfilme der nationalen und internationalen Produktion zu öffnen und dafür ständige Sendeplätze ein zurichten.

5. Das Fernsehen der DDR wird aufgefordert, ab sofort seine Einschaltquoten zu veröffentlichen.

6. Der Verband fordert die Bildung eines Instituts für Meinungs-, Wirkungs-, Zuschauer- und Medienforschung und die laufende Veröffentlichung seiner Arbeitsergebnisse.

7. Die DEFA-Studios, die HFF und das Fernsehen der DDR werden aufgefordert, die gegenwärtig in Arbeit befindlichen Dokumentationen über die aktuell ablaufenden Ereignisse in unserem Land zu fördern. Insbesondere das Fernsehen der DDR wird aufgefordert, diese Arbeiten unverzüglich in sein Programm aufzunehmen.

8. Einem Beschlussantrag der Sektion Spielfilm folgend, fordert der Vorstand des VFF die dafür zuständigen Organe auf, unseren Kollegen, den Genossen Walter Janka, zu rehabilitieren. Die HV Verlage des Ministeriums für Kultur wird aufgefordert, unverzüglich die Veröffentlichung von Walter Jankas Buch "Schwierigkeiten mit der Wahrheit" in der DDR einzuleiten.

9. Der Vorstand beschließt die Bildung einer Arbeitsgruppe aus Mitgliedern aller Sektionen, die alle noch nicht aufgeführten Filme und Fernsehwerke aller Gattungen und Genres unserer nationalen Produktion daraufhin prüft, welche von ihnen in die Kinos und auf den Bildschirm gelangen sollten.

10. Dem Fernsehen der DDR wird empfohlen, baldmöglichst eine Konferenz einzuberufen. Sie soll die gesellschaftliche Funktion des Mediums unter den neuen Bedingungen definieren.

11. Der Vorstand beschloss die Wiederbelebung eines internationalen Dokumentarfilmsymposiums in der DDR."

Junger Welt, Do. 26.10.1989, Organ des Zentralrats der FDJ

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