Zugang zur Mensa - nicht für Ausländer?

Gespräch mit Anita Schulze, Pädagogin im Studentenwohnheim des Leipziger Herder-Instituts

• Es gab Meldungen von Angriffen auf ausländische Studenten. Was ist passiert?

In der Nacht vom 14. zum 15. Dezember randalierten nach Aussagen ausländischer Studenten gegen 24 Uhr Skinheads am hinteren Eingang unseres Wohnheims in der Straße des 18. Oktober. Es hagelte Beschimpfungen. Gegen 1 Uhr gab es auf der Straße eine Schlägerei, an der keiner unserer Studenten beteiligt war. Eine äthiopische Studentin wurde im Internat von einem Skinhead überrascht, konnte aber in ihr Zimmer fliehen.

• Gab es das schon öfter?

Ja, in der zurückliegenden Zeit wurden Ausländer mehrfach an gepöbelt, beispielsweise am Zugang zur Mensa gehindert. Wir empfehlen schon seit langem. abends nicht allein auf die Straße zu gehen, bestimmte Diskotheken zu meiden usw.

• Gibt es im Heim keine Wachen?

Früher war der Schutz von der FDJ organisiert. Im Zuge der Umgestaltung fiel er weg. Aber deutschsprachige Wachen sind notwendig, um beispielsweise umgehend die Polizei zu verständigen. Wir haben jetzt eine Wache aus eigenen Kräften rund um die Uhr gebildet.

• Tragen sich Studenten mit dem Gedanken, unser Land zu verlassen?

Bis jetzt hat sich nur ein finnischen Student abgemeldet. Er könne nicht in einem Land studieren, in dem Ausländerfeindlichkeit herrscht. Unsere Studenten stehen aber natürlich unter einem ständigen psychischen Druck. Ich kann das als Pädagogin kaum noch verantworten.

PS: Nach Auskunft von Prof. Dr. Fritz Träger, Prorektor für Erziehung und Ausbildung der KMU, werden für die unterrichtsfreie Zeit Fachkräfte der Uni zur Verfügung gestellt. Außerdem wurde die Volkspolizei um Unterstützung gebeten. Die Antwort steht nach aus.

Helgard Kowitz

Tribüne, Fr. 22.12.1989

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