Szenen einer Ehe

Erfahrungen einer DDR Bürgerin, die einen Kubaner heiratete

Seit anderthalb Jahren bin ich mit einem Kubaner verheiratet. Mein Leben ist durch diese Liebe reicher geworden: beziehungsreicher, erlebnisreicher, gefühlsreicher. Aber auch spannungsgeladener. Solange diese Spannungen aus unserem Zusammensein, aus dem Aufeinanderprallen unserer verschiedenen Nationalitäten resultieren, empfinde ich sie als bereichernd, als produktiv. Doch unser gemeinsames Leben beschränkt sich nicht auf die eigenen vier Wände. Der Alltag wirkt in jeder Minute auf uns, die Umwelt lässt uns keine Ruhe. Tag für Tag spüren wir eine Woge rassistischer und chauvinistischer Vorurteile. Mal versteckt, mal ganz offen.

Wie verbreitet der Hang zur alltäglichen Diskriminierung ist, wurde mir zum ersten Mal mit aller Deutlichkeit bewusst, als mein Mann und ich heiraten wollten. Beamte der Abteilung Inneres in einem Staat, der Antirassismus zu seinem obersten Grundsatz erklärt hatte, behandelten uns wie Aussätzige, Abartige, Verdächtige. Schriftliche, teilweise völlig absurde Erklärungen wurden mir abverlangt: Warum ich diesen Mann heiraten wollte? Wo wir uns kennengelernt hatten? Dass weder meine Eltern noch meine Großeltern finanzielle Unterstützung von mir beanspruchen würden usw. Die Humboldt-Universität, an der ich damals studierte, musste erklären, dass sie keine Einwände hätte, wenn ich den Namen meines Mannes träge. Hinzu kamen lausend "sicherheitspolitische" Bestimmungen. Auch mein Mann musste so einiges an Dokumenten vorweisen, bis man uns nach mehr als einem halben Jahr erlaubte zu heiraten.

In dieser Zeit habe ich so manches Mal daran gezweifelt, ob ich das alles verkrafte. Kampf mit den Behörden, Auseinandersetzungen mit meinen Eltern, die sich in keiner Weise mit einem Ausländer als Schwiegersohn abfinden wollten, und die lästigen "Ratschläge" der Studienkollegen: "Der will doch nur geheiratet werden, um hierzubleiben." "Pass auf, wenn der erst den kubanischen Macho herauskehrt, dann ist es vorbei mit der Liebe." Und immer wieder. "Hast du dir das auch richtig überlegt?" Welch bedeutungsvolle Frage! Natürlich hatte ich nachgedacht. Aber schließlich habe ich doch aus Liebe geheiratet. Unerträglich wurde für mich das obszöne Grinsen vieler, wenn ich erzählte, dass ich mit einem Kubaner verheiratet bin. "Der ist sicher besser im Bett als ein Deutscher", hieß es oft. Irgendwann hebe ich es dann hingenommen, dass ich nach wie vor nur eine Kohlenkarte als Einzelperson bekomme, obwohl unser Familienstand polizeilich gemeldet ist. Auch damit, dass das Gehalt meines Mannes noch immer so versteuert wird, als wäre er ledig.

Mein Mann und ich haben beschlossen, im nächsten Jahr mit unserem dann geborenen Kind auszureisen - vielleicht noch Kuba, auf jenen Fall in ein lateinamerikanisches Land. Auch dort wird nicht nur eitel Sonnenschein auf uns warten. Aber wir hoffen auf ein bisschen mehr menschliche Wärme.

Kerstin Graupner notierte die Auskünfte der anonym bleiben wollenden DDR-Bürgerin

Junge Welt, Do. 26.04.1990

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