Gemeinsame Erklärung zum Rechtsstatus von Adass Jisroel
Am 13.11. 1989 fand im Vorstandssaal der Israelitischen Synagogengemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin in der Tucholskystraße 40 ein Zusammentreffen namhafter Persönlichkeiten des öffentlichen und kirchlichen Lebens der DDR statt, zu dem das geschäftsführende Vorstandsmitglied Dr. Mario Offenberg eingeladen hatte.
An der Beratung nahmen teil:
- der Rechtsvertreter der Gemeinde, Rechtsanwalt Lothar de Maizière, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands;
- Dr. Gottfried Forck, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin- Brandenburg;
- Dr. Günter Krusche, Generalsuperintendent von Berlin;
- Prof. Dr. Heinrich Fink, Direktor der Sektion Theologie der Humboldt-Universität zu Berlin;
- Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender des Rechtsanwaltskollegiums Berlin und des Rates der Vorsitzenden der Rechtsanwaltskollegien in der DDR;
- Dr. Bertram Handel, Leiter des Büros des Staatssekretärs für Kirchenfragen bei der Regierung der DDR.
1. Die Teilnehmer der Beratung sind bestürzt über die bürokratische Behandlung der moralischen und juristischen Rechte der Israelitischen Synagogengemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin durch staatliche Organe der DDR.
2. Die Behandlung des Eigentums dieser Gemeinde als ausländisches, von den staatlichen Organen der DDR zu verwaltendes Eigentum, ist moralisch und juristisch ungeheuerlich, weil nur die physische Vernichtung vieler Mitglieder dieser Gemeinde zwischen 1933 und 1945 dazu geführt hat, dass es in der DDR solche Gemeindemitglieder nicht mehr gibt und also das Eigentum dieser Gemeinde "ausländisch" geworden ist.
Wir haben allen Grund, dem Vorstand der Israelitischen Synagogengemeinde (Adass Jisroel) zu Berlin für die Bereitschaft, das religiöse und kulturelle Leben dieser Gemeinde in der Hauptstadt der DDR fortzusetzen, dankbar zu sein.
3. Die Grundstücke, die Gebäude und das weitere Vermögen der Gemeinde sind unverzüglich in die alleinige Verfügungsgewalt des Vorstandes der Gemeinde zu übergeben. Diese Maßnahmen sind noch vor dem 18.12.1989, d. h. dem 50. Jahrestag der Gestapoverfügung über die zwangsweise Auflösung der Gemeinde zu realisieren. Die Regierung der DDR hat dem Vorstand der Gemeinde eine schriftliche Bestätigung hinsichtlich ihrer Rechte zu überreichen. Die Gemeinde hat ihre Rechtsstellung seit Zulassung als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Jahre 1869 niemals rechtswirksam verloren.
gez. Lothar de Maizière, Gottfried Forck, Bertram Handel, Heinrich Fink, Günter Krusche, Gregor Gysi
aus: Neue Zeit, Jahrgang 45, Ausgabe 268, 14.11.1989, Zentralorgan der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands