Antifaschismus heute - eine Brücke in die Zukunft

SZ fragte Jürgen Schaper, Vorsitzender des Bundes der Antifaschisten, Stadt Dresden

SZ: Vor einigen Tagen erfolgte die Gründung des Bundes. Welches Echo fand der Aufruf dazu?

J. Schaper: Die Teilnahme von mehr als hundert Bürgern, darunter erfreulich viele jüngere Leute - wir mussten einen größeren Versammlungsraum aufsuchen - übertraf die Erwartungen. Zur Gründungsversammlung in der Mahn- und Gedenkstätte am Dresdner Salvador-Allende-Platz waren auch die Parteien und Bürgerbewegungen eingeladen. Wir konnten antifaschistische Widerstandskämpfer und Verfolgte des Naziregimes begrüßen. Dem in der Aussprache vorgeschlagenen und dann gebildeten Vorstand gehören neben drei ehemaligen Widerstandskämpfern weitere sieben Bürger an. Wir folgten dem Prinzip der Parteiunabhängigkeit. Die anregende Diskussion ließ viel Bereitschaft erkennen, künftig auf vielfältige Weise antifaschistische Grundpositionen in unsere weitere gesellschaftliche Entwicklung einzubringen.

SZ: Worin sieht der Bund seine nächsten Aufgaben?

J. Schaper: Es geht um einen Neubeginn. Von den bisherigen, durch stalinistische Deformationen kompromittierten Formen grenzen wir uns entschieden ab. Wir wollen mit unserem Wirken einen eigenständigen Beitrag in unserem Land für ein geeintes Deutschland in einem demokratischen Europa leisten. Wir wenden uns eindeutig gegen jedweden politischen Extremismus.

Der Bund ist offen für jeden älteren oder jüngeren Bürger, der unser Anliegen unterstützen Will, sich antifaschistischen Werten verpflichtet fühlt und sie pflegen und erhalten will. In den Programmen der Parteien und Bewegungen unserer Tage fanden solche Positionen ja ihren Ausdruck. So ist nach unserer Meinung ein breiter Konsens für eine gedeihliche Tätigkeit gegeben.

SZ: Können schon einige konkrete Vorhaben benannt werden?

J. Schaper: Eine allgemeine Orientierung wird Anfang Mai der zentrale Gründungskongress geben. Wir wollen nicht abwarten und haben bereits Vorstellungen für unsere regionale Tätigkeit entwickelt, die sich vielfältig gestalten soll. Dazu gehört, die Geschichte des Antifaschismus aufzuarbeiten, ohne "weiße Flecken" und auch in größerer Breite. Dazu sollen weitere Arbeits- und Interessengemeinschaften gebildet werden, wie sie z.B. bereits an der Pädagogischen Hochschule Dresden bestehen. Wir denken auch an publizistische Tätigkeit, vorrangig mit regionalen Bezügen. Und ein Thema wie z.B. "Faschismus in Deutschland" bietet gute Möglichkeiten, ein wahrheitsgemäßes Bild der Vergangenheit zu vermitteln bzw. mit zu erarbeiten. Es soll damit deutlich werden, dass Antifaschismus nicht mehr das Privileg einer Klasse oder Partei ist, sondern als eine zutiefst humanistische Lebenshaltung begriffen werden muss. Eine Aufgabe, die Bürger unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, weltanschaulicher Position und Herkunft verbindet. Niemand soll dabei ausgegrenzt sein. Antifaschismus heute ist gleichsam eine Brücke in die Zukunft. Wir orientieren uns, getragen von den geschichtlichen Erfahrungen, natürlich vor allem auf junge Menschen. Und weitere Interessenten an unserem Wirken sind stets willkommen. Unsere Geschäftsstelle, die gern Auskunft erteilt, befindet sich im Haus der Bildung in der Maternistraße in Dresden.

SZ: Werden die Ziele des Bundes bereits angenommen?

J. Schaper: Ja, unsere Mitglieder und Sympathisanten arbeiten bereits z. B. bei der Pflege von Gedenk- und Mahnstätten und der Schaffung weiterer mit, es gibt rührige Interessengemeinschaften für Geschichte u. a.vm. Wir denken, dass uns auch Erfahrungen der "VVN-Bund der Antifaschisten" in der BRD nützlich sein werden.

SZ: Vielen Dank für diese Informationen. (Für die SZ fragte Thomas Griebel)

aus: Sächsische Zeitung, Nr. 86, 11.04.1990, 45. Jahrgang, Tageszeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur