Hoffnung auf
Toleranz bleibt

Auskunft gibt Pastorin ALMUTH BERGER, amt. Staatssekretär für Ausländerangelegenheiten

Was empfinden Sie, wenn Ihnen Feindseligkeiten gegen ausländische Mitbürger hierzulande begegnen?

Es ist eine Mischung aus Zorn und Traurigkeit. Und ein Stück Scham ist dabei, dass wir so wenig in der Lage sind, mit anderen zusammenzuleben, andere Kulturen zu akzeptieren.

Kann dieses Amt denn etwas dagegen ausrichten?

In vielen Fällen kann man schon helfen, Kontakte zu vermitteln, sich gegen Unrecht zu wehren, Verantwortliche in Betrieben miteinander ins Gespräch zu bringen. Die vielen Briefe und Anrufe zeigen, wie froh man ist, nun einen Anlaufpunkt zu haben. Lösungen haben wir aber nicht in der Tasche. Wir wollen mitreden, unsere Gedanken über eine zukünftige Politik gegenüber Ausländern anbieten:

Vorurteile können zu schlimmen Entwicklungen führen. Haben wir nicht wenigstens das aus der Zeit des Faschismus begriffen?

Die Deutschen haben so wenig gelernt, geschichtliche Entwicklung ist nie richtig aufgearbeitet worden. Ich halte das für eine wesentliche Ursache der heutigen Distanz, der Feindseligkeiten gegenüber Ausländern. In den Schulen der DDR wurde sich niemals wirklich damit auseinandergesetzt. Es gab nur einen verordneten Antifaschismus. Der wurde deklariert, aber nicht erarbeitet oder erstritten. Da entwickelte sich dann viel unter der Oberfläche, was jetzt hervorbricht. Hinzu kommt eine alte deutsche Untugend: Zu oft in der Geschichte haben wir Deutschen uns für was Besseres gehalten, unsere Art zu leben, haben unseren technischen Fortschritt überbewertet. Dieser versteckte Rassismus ist gefährlich, weil so wenig greifbar.

Haben Sie Hoffnung, dass sich das Denken der Menschen ändern wird?

Ja. Obwohl wir schwierige Zeiten vor uns haben, in denen sich die Probleme noch zuspitzen werden. Meine Hoffnungen gehen darüber hinaus. Mit einer Erziehung zu mehr Toleranz, mit einem Leben, das nicht mehr so isoliert ist, sehe ich große Möglichkeiten. Bisher war ja kaum Gelegenheit, überhaupt mit anderen Nationen umzugehen. Gerade jetzt erleben wir eine große Phase nationalen Denkens und Fühlens. Auf der einen Seite sehr verständlich, doch die Gefahr, dass es umschlägt, ist da. Man hat den Eindruck, es wird vergessen, dass wir nur ein Teil der Weltbevölkerung sind und nicht der Nabel der Welt. Ich finde, heute muss man viele Probleme globaler betrachten.

Das neue Amt des Staatssekretärs für Ausländerangelegenheiten zeigt gesellschaftlichen Bedarf. Wird der auch in Zukunft bestehen?

Auf jeden Fall. Wir setzen uns dafür ein, dass dieses Amt erhalten und ausgebaut wird. Es bleibt genug zu tun. Ängste der Menschen, um den Arbeitsplatz zum Beispiel, müssen abgebaut werden. Denn wer Angst hat, ist nicht gut in der Lage, auf einen anderen zuzugehen, der noch dazu Ausländer ist. Natürlich brauchen wir auch vernünftige Gesetze in dieser Richtung. Zur Zeit werden Vorlagen für die neue Regierung vorbereitet, wird daran gedanklich gearbeitet. Gesetze sind zwar für das praktische Verhältnis der Menschen nicht entscheidend; doch sie müssen einfach da sein. Zum Beispiel: Können ausländische Arbeiter hier weiter bleiben, bis ihre Verträge abgelaufen sind? Es wird schnell Verhandlungen geben müssen. Denn da ist die Angst der Ausländer, einfach abgeschoben zu werden, und da sind die Betriebe, die in Zwängen stecken, ihre Produktion umzustellen, ökonomischer zu sein. Auch ein Asylrecht wäre wichtig.

Bei den Kommunalwahlen am 6. Mal können auch ausländische Mitbürger wählen und gewählt werden. Was halten Sie davon?

Als das vor einem Jahr eingeführt wurde, fand ich es ziemlich unsinnig, weil es eine bloße politische Demonstration gegenüber der Bundesrepublik war. Inzwischen begrüße ich das Ausländerwahlrecht, weil auch die Bedingungen noch mal überdacht wurden. Die Interessen in den Kommunen können so besser vertreten werden. Es wird ein langer Prozess sein. Aber vielleicht ist es möglich, die Ausländer als normale Nachbarn zu empfinden.

aus: Tribüne, Nr. 58, 22.03.1990, 46. Jahrgang, Zeitung der Gewerkschaften

Δ nach oben