Offener Brief
an die Bevölkerung der DDR
Die ausländischen Studierenden der Karl-Marx-Universität Leipzig begrüßen und unterstützen die Demokratiebewegung und Reformen in der DDR, die auch für uns zu positiven Veränderungen an der Universität geführt haben. Anzeichen dafür sind die für uns gewachsenen Möglichkeiten selbständiger Entscheidungen, die unser Studium und unser Leben hier in Leipzig betreffen.
Jedoch sind wir besorgt über die zunehmende Ausländerfeindlichkeit, die in Teilen der Bevölkerung laut wird.
Durch mitunter unkorrektes Auftreten und Verhalten mancher ausländischer Bürger entwickelten sich unter einigen Teilen der Bevölkerung Unverständnis und Vorbehalte. Das führte zu ungenügender solidarischer, Haltung zwischen DDR-Bürgern und Ausländern.
Fordert uns die heutige Zeit nicht heraus, diese unbegründeten Barrieren gemeinsam Schritt für Schritt abzubauen?
Vorrangige Lösung nationaler Probleme in der DDR darf solche Fragen nicht in den Hintergrund drängen, da dies eine große Gefahr der Verschärfung der entstandenen Situation darstellt.
Wir leben in der DDR und möchten gemeinsam mit allen Menschen in diesem Land solchen Tendenzen entgegenwirken.
- Bemühen wir uns, uns besser kennen zu lernen und um gegenseitiges Verständnis!
- Lassen wir nicht zu, dass die guten Ergebnisse und Erkenntnisse, die wir ausländischen Studierenden in der DDR sammelten, zerstört werden!
- Lassen wir uns stets von Vernunft und Besonnenheit leiten.
Leipzig, Dezember 1989
Internationales Studentenkomitee der Karl-Marx-Universität
aus: Ohne Filter, Studentenzeitung, in Universitätszeitung Karl-Marx-Universität Ausgabe Nr. 01/1990, 12. Januar, Herausgeber: Rektor der Karl-Marx-Universität