Offener Brief
Liebe Bürgerinnen und Bürger, liebe Freundinnen und Freunde,
Der bislang beispiellose Polizeieinsatz bei der Räumung der besetzten Häuser [in Berlin] vom 12 bis 14. November [1990] hat uns entsetzt. Es hat eine Eskalation von Gewalt stattgefunden, die mit den Erfahrungen des Herbstes '89 nicht zusammengeht. Es ist dringend an der Zeit, sich gegen diese Eskalationspolitik für eine friedliche Lösung gesellschaftlicher Probleme wie Wohnungsnot und Leerstand von Wohnraum einzusetzen.
Wir fordern ein Räumungsmoratorium, um ein politisches Klima zu schaffen, in dem Gespräche zwischen Hausbesetzerinnen, Anwohnerinnen und den politisch Verantwortlichen wieder aufgenommen werden können.
Über die Einrichtung von Runden Tischen über die bezirkliche Ebene hinaus halten wir die Installation eines Gesammtberliner Runden Tisches für dringend notwendig. Mit Kompetenz und Sachverstand können hier die Verhandlungen über eine Gesamtlösung für alle besetzten Häuser, einschließlich der geräumten, wieder aufgenommen werden. Er ist ein Mittel der friedlichen und politischen Auseinandersetzung und eine Alternative zu weiteren gewaltsamen Ausschreitungen in dieser Stadt.
Wolfram Hülsemann
Bischoff Gottfried Forck
Volker Braun
Christa Wolf
Walfriede Schmidt
Käthe Reichel
Prof. Heinrich Fink
Studentenrat der
Humboldt-Universität Berlin
Karl Schwarz (Kanzler der HUB)
Jutta Braband
Dr. Thomas Klein, MdB
Bärbel Bohley
aus: die andere, Nr. 48, 28.11.1990, Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Kultur und Kunst, Herausgeber: Klaus Wolfram