Zum Thema MfS/ANS

Presseerklärung des Bürgerkomitees

Das Bürgerkomitee der Stadt Magdeburg teilt mit:

Nach vierwöchiger Arbeit des Bürgerkomitees muss folgendes festgestellt werden:

1. Die von der SED-PDS geführte Regierung der DDR hat offensichtlich nie ernsthaft daran gedacht, das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit völlig aufzulösen. Es gibt bisher weder ein Gesetz noch eine Anweisung, die die Mitarbeiter zur sofortigen Einstellung aller Aktivitäten im Bereich des ehemaligen MfS und zur Offenlegung der Strukturen Ihres Apparates zwingt. Entgegen der verbalen Zusicherung einer konstruktiven Zusammenarbeit versuchen Mitarbeiter des ehemaligen MfS durch nachweisliche Falschmeldungen die Arbeit des Bürgerkomitees zu erschweren:

a) Nach wie vor gehen Hinweise der Bevölkerung ein, die das Vorhandensein und die Weiterarbeit des Amtes für Nationale Sicherheit (ANS) belegen. Das betrifft

b) Nach wie vor bestehen die alten Strukturen, personell und materiell, in Staat und Wirtschaft fort. Sie bestehen in der engen Verflechtung zwischen Staatsapparat, Parteiapparat, Wirtschaft und Staatssicherheit. Führungs- und Sicherheitsprinzip war die Personalunion zwischen diesen Bereichen.

c) Nach wie vor arbeiten die alten Struktureinheiten des Parteiapparates durch die Personalkontinuität in Wirtschaft und Staat: Noch existieren dabei die technischen Kommunikationskanäle zwischen SED-PDS und ANS-MfS (Antennen-Anlagen, Fernmeldetechnik, Datentechnik).

2. Trotz wiederholter Zusicherung der "Regierungskommission zur Auflösung des ANS" sind das Bürgerkomitee und die von ihm eingesetzten Untersuchungskommissionen bisher nicht in die Lage versetzt worden, eine geordnete Auflösung des Personal- und Grundmittelbestandes des ehemaligen MfS zu kontrollieren. Aufgrund der mangelhaften Offenlegung fehlen bisher umfassende Informationen über Struktur, Personalbestand, Inventar, Grundmittel und Anlagen. Für das Bürgerkomitee entsteht der Eindruck, dass es im Zusammenhang mit der Auflösung des ehemaligen MfS für Ruhe und Ordnung sorgen, Aggressionen abpuffern und der Bevölkerung das Gefühl vermitteln soll, dass mit der neuen SED-PDS-geführten Regierung der Zusammenhang und die Verantwortung zum ehemaligen MfS nicht mehr besteht.

3. Das Bürgerkomitee bekennt sich zu den von ihm durchgeführten Aktionen zur Verhinderung einer Eskalation der Gewalt gegen Angehörige oder Einrichtungen des ehemaligen MfS. Diese Haltung ist Ausdruck der prinzipiellen Einstellung zur Gewaltlosigkeit in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Das Bürgerkomitee lässt sich jedoch nicht zum Feigenblatt machtpolitischer Strategien missbrauchen. Aus seiner Arbeit ergibt sich folgende Feststellung:

Die "Stasi" war ein vor allem gegen die Bevölkerung gerichtetes Instrument der SED, um ihre Macht in allen Gesellschaftsbereichen auch durch ungerechtfertigte Handlungen zu sichern, z. B. durch Verletzung des in der Verfassung garantierten Post- und Fernmeldegeheimnisses.

Die heutige SED-PDS steht als Nachfolgeorganisation in voller Verantwortung für alles Unrecht, das durch diese Organisation entstanden ist.

4. Für das Fortschreiten des Demokratisierungsprozesses in der DDR fordern wir:

Magdeburg, 10. 1. 1990

aus: Volksstimme, Nr. 10, 12.01.1990, 44. (100.) Jahrgang, Beilage, Herausgeber: Bezirksvorstand Magdeburg der SED-PDS

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