Erklärung

In den vergangenen Monaten haben sich die Bezirksvorstände, Sektionsleitungen, Künstlergruppen und Künstlerpersönlichkeiten in Resolutionen und Briefen an die Partei- und Staatsführung sowie an die Öffentlichkeit gewandt. Das Präsidium des Künstlerverbandes teilt:

- die Besorgnis über die Verschärfung der ökonomischen, politischen, ökologischen und kulturellen Widersprüche in unserem Lande,

- das Unverständnis darüber, dass die Partei- und Staatsführung diese Probleme in den letzten Jahren nicht wahrnehmen wollte und öffentlich nicht darauf reagiert hat,

- die Verurteilung des Missbrauchs von Gewalt jeder Art und jeder Seite und unterstützt die Betroffenen mit der Kraft des Verbandes bei der Durchsetzung ihrer Rechtsansprüche bis zur vollen öffentlichen Aufklärung,

- die Empörung über die Politik der Massenmedien, ihre die Widersprüche verschweigende und beschönigende Berichterstattung.

Nach Auffassung des Präsidiums hat all das der Glaubwürdigkeit des Sozialismus und seiner tief greifenden Erneuerungsfähigkeit geschadet. Wir sehen allein im grundsätzlichen und kontroversen Dialog aller gesellschaftlichen Kräfte unseres Landes eine Möglichkeit, sich durch schonungslose Analyse der Situation bewusst zu werden und Schritte zu ihrer Veränderung zu finden. Dieser Dialog muss rechtlich gesichert werden und darf keine politische Kraft ausgrenzen. Wir hoffen, dass die Maßnahmen der Sitzung des Zentralkomitees der SED vom 18.10.1989 hierzu ein erster Schritt waren. Dieser Weg muss konkret und konsequent weitergegangen werden bis zu solchen Strukturen unserer Gesellschaft, die Entwicklung und Korrektur garantieren.

Was uns betrifft: Vom konstruktiven Geist war unser X. Kongress getragen, der streitbar, kritisch, kontrovers wesentliche Fragen diskutiert hat, die inzwischen auch in den Mittelpunkt der Diskussion unseres, ganzen Landes gerückt sind. Ein umfangreiches Paket konstruktiver Vorschläge liegt seitdem auf dem Tisch. Dies alles ist bisher weithin folgenlos geblieben. Wir teilen deshalb die Ungeduld unserer Kollegen.

Um der Dynamik der gegenwärtigen Prozesse gerecht zu werden, schlagen wir der nächsten Zentralvorstandssitzung vor, eine Außerordentliche Delegiertenkonferenz des Verbandes im Frühjahr 1990 einzuberufen. Das Präsidium stimmt dem Vorschlag des Präsidiums des Theaterverbandes zu, eine gemeinsame Arbeitsgruppe aller Künstlerverbände zu bilden, die einen Vorschlag an den XII. Parteitag der SED ausarbeitet.

Die mehr als 6 000 Mitglieder des Verbandes Bildender Künstler der DDR sind fähig, mit ihrer Arbeit sehr viel für das geistige Klima unseres Landes und für die visuell-ästhetische Gestaltung einer menschenwürdigeren Umwelt beizutragen. Ihre Vorschläge: ernst genommen und realisiert, können Entscheidendes mit verändern helfen.


Das Präsidium des Verbandes Bildender Künstler übermittelte ADN am Donnerstag eine Erklärung, die mit 23 Ja-Stimmen und einer Enthaltung angenommen wurde. An der Beratung des Präsidiums nahmen teil: Clauss Dietel, Axel Bertram, Dieter Bock, Antje Erkmann, Wolfgang Friedrich, Dieter Gantz, Hubertus Giebe, Rudolf Grüttner, Barbara Henniger, Johannes Heisig, Reinhard Kranz, Harald Kretzschmar, Horst Kolodziej, Rolf Kuhrt, Harald Olbrich, Peter Pachnicke, Ronald Paris, Hermann Raum, Dieter Rex, Arno Rink, Klaus Schwabe, Willi Sitte, Werner Tübke, Jochen Ziska, als Gäste Dietmar Keller, Fritz Böhme, Joachim Arlt.

aus: Sächsische Zeitung, Nr. 247, 20.10.1989, 44. Jahrgang, Organ der Bezirksleitung Dresden der SED, Herausgeber: Bezirksleitung Dresden der SED


Am 17.10. wird im Politbüro der SED beschlossen, dem ZK der SED einen Tag später vorzuschlagen Erich Honecker abzuberufen. Das ZK billigte den Vorschlag. Der Termin des XII. Parteitags der SED wird 1988 für den 15.-19.05.1990 einberufen. Er fand dann aber nicht mehr statt.


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