Wir treten aus unseren Rollen heraus

Wir treten aus unseren Rollen heraus. Die Situation in unserem Land zwingt uns dazu.

Ein Land, das seine Jugend nicht halten kann, gefährdet seine Zukunft.

Eine Staatsführung, die mit ihrem Volk nicht spricht, ist unglaubwürdig.

Eine Parteiführung, die ihre Prinzipien nicht mehr auf Brauchbarkeit untersucht, ist zum Untergang verurteilt.

Ein Volk, das zur Sprachlosigkeit gezwungen wurde, fängt an, gewalttätig zu werden.

Die Wahrheit muss an den Tag.

Unsere Arbeit steckt in diesem Land. Wir lassen uns das Land nicht kaputtmachen.

Wir nutzen unsere Tribüne, um zu fordern:

1. Wir haben ein Recht auf Information.

2. Wir haben ein Recht auf Dialog.

3. Wir haben ein Recht auf selbständiges Denken und auf Kreativität.

4. Wir haben ein Recht auf Pluralismus im Denken.

5. Wir haben ein Recht auf Widerspruch.

6. Wir haben ein Recht auf Reisefreiheit.

7. Wir haben ein Recht, unsere staatliche Leitung zu überprüfen.

8. Wir haben ein Recht, neu zu denken.

9. Wir haben ein Recht, uns einzumischen.

Wir nutzen unsere Tribüne, um unsere Pflichten zu benennen:

1. Wir haben die Pflicht, zu verlangen, dass Lüge und Schönfärberei aus unseren Medien verschwinden.

2. Wir haben die Pflicht, den Dialog zwischen Volk und Partei- und Staatsführung zu erzwingen.

3. Wir haben die Pflicht, von unserem Staatsapparat und von uns zu verlangen, den Dialog gewaltlos zu führen.

4. Wir haben die Pflicht, das Wort Sozialismus so zu definieren, dass dieser Begriff wieder ein annehmbares Lebensideal für unser Volk wird.

5. Wir haben die Pflicht, von unserer Staats- und Parteiführung zu verlangen, das Vertrauen zur Bevölkerung wiederherzustellen.

Resolution von Kollegen des
Staatsschauspiels Dresden
6.10.1989


Erstmals verlesen am 06.10.1989 im Kleinen Haus nach der Abendvorstellung. Die Zuschauer spendeten stehend Applaus. Die Resolution wurde allabendlich nach der Vorstellung verlesen. Sie trug über 150 Unterschriften.

Martin Walser schrieb in der Union am 23.10.1989: "Nach einer fabelhaften guten Vorstellung von Heiner Müllers Titus-Andronicus-Fassung (Regie Wolfgang Engel) stellten sich am 9. Oktober alle Schauspieler an den Bühnenrand, eine Schauspielerin las eine Petition des Staatsschauspiels Dresden.
(...)
Darauf der tollste Beifall des fast ausschließlich aus Zwanzig-bis Fünfundzwanzigjährigen bestehenden Publikums. Dazu standen sie auf. Und weil dieser Beifall so rasant war und nicht aufhören wollte, fingen die Schauspieler an, diesem Publikum Beifall zu klatschen. Das wirkte ganz anders als die sonstige östliche Gepflogenheit, bei der sich die Tribüne dem Beifall des Saales anschließt."

Einen Tag später gastierte das Staatsschauspiel Dresden in Karl-Marx-Stadt. Nach der Vorstellung wollten die Karl-Marx-Städter Ensemblemitgliedern eine eigene Resolution verlesen. Die SED-Kreisleitung untersagte dem Karl-Marx-Städter Ensemble das verlesen ihrer Resolution. Woraufhin Dresdner Ensemblemitglieder die Karl-Marx-Städter-Resolution verlasen. Musiker der Suhler Philharmonie verlasen am 18.10.1989 nach dem Konzert eine Resolution.

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