Erklärung der Mitarbeiter des Gerhart-Hauptmann-Theaters Zittau
"Wir sind gewiss, dass die DDR auch die Anforderungen der Zukunft bewältigen wird."
So lautet eine Überschrift im ND vom 4. Oktober 1989.
Der 40. Jahrestag der DDR, unseres Staates, ist uns Anlass, in aller Breite die Frage zu diskutieren:
Wie geht es hier weiter?
Sind wir gewiss, dass die DDR auch die Anforderungen der Zukunft bewältigen wird?
Im ND vom 30. September 1989 erfahren wir Inhalt und Form der vorgesehenen Feierlichkeiten. Wir sind bestürzt, dass sich keines der uns bewegenden Probleme hierin widerspiegelt. Wir erfahren, dass unsere Fragen nicht gehört und unsere Gedanken, Meinungen, Überlegungen nicht gebraucht werden. Damit fühlen wir uns von unserem eigenen Staat entmündigt. Es ist für uns unumgänglich zu fragen:
Warum empfinden zigtausend Menschen, Bürger unseres Staates eine immer mehr um sich greifende Perspektivlosigkeit, so dass sie sich gezwungen sehen, unseren Staat zu verlassen?
Warum fragt man nicht nach den Ursachen solcher Haltungen und Beweggründe in öffentlichen, offenen und gemeinsamen Gesprächen, sondern treibt diese Menschen in die Emigration und kriminalisiert sie noch durch unsere Medien?
Warum werden wir aus dem Prozess von Problemdebatten und Problemlösungen ausgeklammert?
Warum entlässt man uns aus der Geschichte, und warum wird uns der Weg verbaut zu einem eigenen Geschichtsbewusstsein?
Warum werden uns Beschränkungen auferlegt, die uns daran hindern, die Welt kennen zu lernen?
Warum werden Anfragen um den richtigen Weg unseres Staates als staatsfeindlich abgetan, verboten, geahndet?
Warum wurden wesentliche Informationsquellen, Publikationen verboten, und warum werden wir gezwungen, uns einseitig zu informieren?
Wie können wir unter diesen gegebenen Bedingungen weiterarbeiten?
Wir fordern eine öffentliche Diskussion über diese nicht nur uns allein bewegenden Probleme mit allen gesellschaftlichen Schichten unseres Landes!
Den Beginn einer solchen Diskussion sehen wir in einer wertfreien Veröffentlichung aller Ideen, Vorschläge und Überlegungen.
Wir glauben, dass die Probleme unseres Landes nur gemeinsam lösbar sind.
[06.10.1989. Es folgen 48 Unterschriften]