Nach dem Modrow-Gespräch mit Künstlern

Es konnte nicht mehr sein als Bestandsaufnahme

BZ sprach mit dem Dramatiker Christoph Hein

Ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten - was war daran für Sie das wichtigste?

Eine sehr aufgeschlossene Haltung von Modrow, auch mit dem Wissen, dass, was er Mitte voriger Woche gesagt hat mit "Deutschland, einig Vaterland", ernst gemeint ist. Das ist ein kluges und realistisches Reagieren auf einen Zustand der Gesellschaft, der vorhanden ist.

Klingt das nicht nach dem Mut der Verzweiflung?

Verzweiflung nicht, aber es hat sicher auch etwas mit dem Ende von Illusionen zu tun. Wir lebten vorher auf einem Schiff, das sehr schiffbrüchig auf einem Binnengewässer fuhr mit einer Mauer darum, die versuchte, jeden Sturm abzuhalten. Das brachte so eine fatale Geborgenheit, die nicht hilfreich war. Wir hatten in dieser DDR nie ein Leistungsprinzip. Dieses war vermutlich das Tödlichste, was uns passierte. Tödlicher als alle Skandale, Korruptionen, Amtsmissbräuche usw.

Was kam aus der weiten Kulturlandschaft zur Debatte?

Es waren Kulturschaffende aus allen Bereichen dabei, und sie benannten, was derzeit schon zerstört ist und noch immer wird. Es gab auch die Sorge, dass in den neuen Parteien und Gruppierungen überhaupt keine Kulturkonzepte bestehen.

Wie sieht Ihr Resümee des Gesprächs aus?

Diese Regierung hat noch genau fünf Wochen Zeit. Dann werden wir diese Regierung nicht mehr haben. Insofern war es eine Bestandsaufnahme. Es ist aber der Wunsch, dass, da zur Zeit eine Doppelherrschaft besteht, bestimmte Bereiche, so auch das Theater, angesprochen werden, dass dieses Volk nicht ganz unter den Tisch fällt, auch nicht unter den Runden Tisch.

Das Gespräch führte
Dieter Krebs

aus: Berliner Zeitung, Jahrgang 46, Ausgabe 33, 08.02.1990. Die Redaktion wurde mit dem Karl-Marx-Orden, dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnet.