Eingesperrt hinter offenen Türen

WBZ sprach mit Betreuern der Abteilung Ausländische Werktätige über Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz

Tagtäglich mit den wachsenden Problemen der Mocambiquer in der DDR konfrontiert werden die Betreuer der ausländischen Werktätigen. Für uns war es daher besonders interessant, auch dort mal nachzufragen, wie sich die Situation in den letzten Monaten entwickelt hat und vor allem, was man denn nun eigentlich tun kann, um ärgste Gewaltausschreitungen zu verhindern.

Nach Anfangsschwierigkeiten ("WBZ" war mal wieder nicht "vorangemeldet") fanden wir dann in Frau B(...) und Herrn Z(...) vom Betreuerkollektiv zwei sehr aufgeschlossene Gesprächspartner für das folgende Interview:

Wie ist das Verhältnis zwischen den ausländischen Werktätigen und den Betreuern? Hat sich daran etwas verändert in letzter Zeit?

Frau B(...): Da kann ich nur über unser Kollektiv, also das aus der Schweitzer-Straße berichten. Bei uns ist das Verhältnis nach wie vor gut. Die Mocambiquer kommen vertrauensvoll zu uns mit ihren Problemen - und davon haben sie ja derzeit genug. Und wir, ja wir helfen wo wir können!

Haben die Betreuer hier bestimmte Voraussetzungen für ihren Job?

Frau B(...): Eigentlich wäre das schon nicht schlecht, ich habe zum Beispiel eine Ausbildung als Pädagoge. Aber es gibt ja leider nicht viele, die auf dem Gebiet Ausländerbetreuung arbeiten wollen. Deshalb hat man auch Leute ohne pädagogische Ausbildung genommen, die aber mit umso mehr Herz bei der Sache sind. Das ist mitunter auch wichtiger als ein Zeugnis.

Herr Z(...): Besonders die Mocambiquer sind sehr feinfühlig und sensibel. Wer ihnen gegenüber mit Vorurteilen herangeht, hat auf die Dauer in dem Beruf keine Chance, wird nicht akzeptiert. Zum 2. Teil der Frage, das Verhältnis zwischen den hier wohnenden Ausländern und uns Betreuern ist in letzter Zeit noch enger geworden. Zu uns kommen sie schließlich und wollen wissen, warum sie plötzlich bei den Deutschen so verhasst sind. Aber sie wissen auch, dass nicht alle Deutschen so denken.

Wo liegen denn nach Ihrer Meinung die Ursachen, die ein solches Verhalten jetzt so offen zu Tage treten lassen und wie reagieren unsere mocambiquischen Kollegen darauf?

Frau B(...): Man muss es so hart sagen - die Hauptursache liegt wohl in der dunklen Hautfarbe. Andere ausländische Kollegen, wie zum Beispiel Polen und Ungarn, sind lange nicht solchen Anfeindungen ausgesetzt wie Mocambiquer oder Vietnamesen.

Also, das nur mit der Angst um den eigenen Arbeitsplatz begründen zu wollen, wäre sicher falsch. Fakt ist, auch vor der Wende gab es schon Ausländerfeindlichkeit, trat sie aber nicht so offen zu Tage

Herr Z(...): Eine Reaktion, schon vor längerer Zeit, um Prügeleien in den Gaststätten zu verhindern, war beispielsweise die Bildung von Ordnungsgruppen durch die Mocambiquer selbst. Die kontrollierten dann ihre eigenen Leute, ob diese nach Alkoholgenuss nicht etwa Grund zu Tätlichkeiten gaben. Ich betone die eigenen Leute. Doch selbst das ist heute schon nicht mehr möglich. Es traut sich ja auch schon keiner von ihnen mehr auf ein Bier in die Gaststätte.

Sind die Mocambiquer also nach Feierabend hier im Wohnheim eingesperrt?

Frau B(...): So kann man das durchaus nennen. Sie können sich fast nirgends mehr blicken lassen, vor allem wenn es dunkel ist. Manche unserer Mocambiquer haben im Winter Arzttermine für 17.30 nicht wahrgenommen, aus Angst, im Dunkeln auf die Straße zu müssen. Und selbst der Weg zum Nachtschichtbus ist dadurch zum Problem geworden.

Herr Z(...): Wir sind sogar dazu gezwungen, unsere Leute darauf zu orientieren, abends nicht mehr ins Kino oder überhaupt rauszugehen. Es passiert einfach zu viel, und wer am 1. Mai Augenzeuge der Ausschreitungen in der Nähe des Rummels war (genug Schaulustige standen ja rum - d. Red.), der weiß such um die Brutalität der Auseinandersetzungen.

Wie ist nun aber die Reaktion der Mocambiquer auf alle diese Dinge?

Frau B(...): Vor allem fragen sie: Was haben wir den Leuten getan? Manche wollen sogar nach Hause, aber so etwas läuft über die Botschaft und ist eine langwierige Sache. Angst ist da, und jetzt gibt es leider auch schon Brigaden, die die "Schwarzen" nicht mehr haben wollen. (Auch dem gehen wir nach - d. Red.)

Aus unserer Politik halten sich die Ausländer eigentlich raus, haben jetzt allerdings genauso wie deutsche Arbeiter Angst, entlassen zu werden.

Herr Z(...): Man muss auch differenzieren zwischen den Leuten, die schon länger hier sind, und den Neuen.

Die "alten Facharbeiter" sind wesentlich ruhiger, besonnener, die "Neuen" noch spontaner, impulsiver. Fakt ist, so richtig wissen die Jungs nicht mehr, wohin in ihrer Freizeit.

Frau B(...): Vielleicht noch einige Fakten, die zu ein bißchen mehr Verständnis bei den Deutschen führen sollen.

Meist müssen die Mocambiquer mit 18/19 Jahren für 4 bis 5 Jahre ihre Heimat verlassen.

Oftmals werden ihre Eltern gar nicht erst gefragt, ob sie einverstanden sind. Was würde manche deutsche Mutter da wohl sagen?! Und jetzt müssen sie sogar noch Angst um ihre Söhne haben! Mitunter dauert es 4 bis 5 Wochen, ehe die Mocambiquer mal Post aus der Heimat erhalten. Das mal so am Rande.

Abschließend noch die Frage: Haben Sie als Betreuer schon Probleme mit "Landsleuten" gehabt?

Frau B(...): Auch das kam vor. Sparen wir uns an dieser Stelle die benutzten Kraftausdrücke. Muss man mal einen Mocambiquer in die Poliklinik begleiten, wird man beschimpft, sogar vor einem ausgespuckt. Obwohl sich dabei besonders ältere Leute hervortun, ist dieser unkontrollierte Speichelfluss sicher keine Alterserscheinung.

Herr Z(...): Den männlichen Betreuern ist so etwas noch nicht passiert, doch auf Unverständnis stößt man vielerorts. Wir jedenfalls machen unsere Arbeit weiter, nach bestem Wissen und Gewissen.

WBZ bedankt sich bei Frau B(...) und Herrn Z(...) stellvertretend für alle Betreuer, für den Mut zu ihrer Arbeit in der heutigen Zeit und für die offenen, ehrlichen Informationen. Gespannt wären wir jetzt mal auf die Meinung von Arbeitskollektiven, speziell denen, wo Ausländer mitarbeiten.

aus: Welzower Betriebszeitung, Nr. 23, 18. Juni 1990, 16. Jahrgang, Herausgeber: VEB BKW Welzow

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