Ohne Basis bleibt jede Struktur eine leere Hülse

Cornelia Matzke, sächsische Landtagsabgeordnete, über die Perspektiven des Unabhängigen Frauenverbandes

taz: Die aktive Basis des UFV ist inzwischen sehr geschrumpft. Zur Mitfrauenversammlung am Wochenende kamen nur rund hundert Frauen. Wie wirkungsvoll kann der zukünftige Verein noch sein?

Cornelia Matzke: Der UFV ist in einer Zeit der Euphorie entstanden. Die aber ist längst vorbei und damit die notwendige Lust am politischen Arbeiten. Wir müssen jetzt diese Durststrecke überwinden, indem wir neu überlegen, was unsere Inhalte sind und wie wir sie in der Gesellschaft diskutieren können. Eine Parteistruktur wäre sicher wenig dienlich, mehr Frauen zur Mitarbeit zu animieren, eine offene Vereinsstruktur bietet da mehr Möglichkeiten. Ich habe zwar für eine politische Vereinigung plädiert, hatte dabei aber die ferne Zukunft des Verbandes im Auge. Aber unsere Organisationsform ist sowieso nicht so wichtig, denn sie kann den Inhalt unserer Arbeit nicht bestimmen. Das eigentlich Wichtige ist, wie wir in Zukunft andere Frauen erreichen, auf ihre politische Willensbildung einwirken können.

Der UFV hat sich bisher sehr stark auf die Parlamente konzentriert. Bleibt das weiterhin Schwerpunkt oder ist die Entscheidung für den Verein auch eine Entscheidung dafür, stärker das außerparlamentarische Element zu betonen?

Es steht außer Frage, dass wir uns auch weiterhin um Mandate bemühen, weil wir diese Form der Öffentlichkeit nutzen wollen. Dazu brauchen wir natürlich die außerparlamentarische Kraft, die kräftige Stimme von draußen. Wenn wir diese nicht aufbauen können, wenn es am Ende nur noch Parlamentarierinnen gibt und sich die anderen aktiven Frauen in Gruppen und Projekte verstreut haben, dann hat diese Politik nicht funktioniert. Was jetzt ansteht, ist die Kleinarbeit mit den Frauen vor Ort. Denn eine Struktur, die von oben vorgegeben und nicht von der Basis ausgefüllt wird, ist eine leere Hülse.

Der UFV ist jetzt auch für Frauen in den alten Ländern offen. Wird sich dadurch etwas verändern?

Dieser Beschluss war längst fällig, und ich habe nicht die Angst, dass jetzt die Westfrauen in den UFV strömen und dort die Themen besetzen. Gut wäre natürlich nicht, wenn wir all die Probleme der Westfrauen-Bewegung im Verband erneut diskutierten. Wichtiger ist, dass wir jetzt gemeinsam überlegen, wie wir die Einheit auch in der Frauenbewegung realisieren können, denn allen ist klar, dass es diese Spaltung in Ost und West nicht geben kann.

Aber de facto ist sie doch da. Kommunikationsprobleme und Vorurteile haben sich auch zwischen Ost- und Westfeministinnen in den letzten eineinhalb Jahren auf- anstatt abgebaut.

Das ist ein Problem der Form, nicht des Inhalts. Wir müssen eben lernen, dass die Dominanz der einen, die anderen in den Diskussionen nicht völlig erdrücken darf.

Ich sehe aber durchaus auch inhaltliche Probleme. Wenn ich im UFV-Programm lese, dass die DDR, salopp ausgedrückt, ein frauenpolitisches Paradies war im Vergleich mit der BRD, dann scheinen mir inhaltliche Konflikte vorprogrammiert.

Ich teile diese Einschätzung vom frauenpolitischen Paradies in der DDR zum Beispiel nicht - und andere im UFV auch nicht. Das ist kein Ost-West-Problem, sondern ein Punkt, den wir insgesamt diskutieren müssen. Grundsätzlich muss akzeptiert werden, dass die Vergangenheit, aus den verschiedenen Erfahrungen heraus auch unterschiedlich bewertet wird. Wichtiger aber ist, darüber nachzudenken, welche Rechte wir zukünftig nicht verlieren dürfen.

Interview: Ulrike Helwerth

die tageszeitung, 01.10.1991, Ausgabe 3523

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