Initiative für eine "Vereinigte Linke", Potsdam

Die DDR vor ihrem Ende

Das ist allen klar, die alle Wirtschaftsstrategie hat vollständig abgewirtschaftet. Es muss was Neues her! Die Mehrzahl von uns Stammtisch-Ökonomen ist sich einig - das Neue soll das Alte sein. Der Wunschzettel an die reiche Tante ist geschrieben:

Liebe Bundesrepublik!

Wir wünschen uns baldmöglichst Dein wirtschaftliches, d. h. natürlich auch Dein politisches System.

Wir sind zu aller Demut bereit.

So wie wir ergeben der SED bis an ihr trauriges Ende dienten, so wollen wir Deiner Marktwirtschaft bis ans Ende dienen. So wie wir uns früher vor den Funktionären duckten, so wollen wir es zukünftig vor Geld-, Arbeits- und Wohnungsgebern tun. Gegen Privilegien werden wir nie wieder demonstrieren. Uns sind zwei bis drei Deiner Geheimdienste willkommen, da gibt es nichts zu revoltieren. In ihre Hände wollen wir die geretteten Stasi-Akten legen, in der Hoffnung auf eine marktwirtschaftliche Verwendung.

Liebe Bundesrepublik, wir bieten Dir alles, was wir haben, und das ist mehr als die Kehrseite unserer Gesellschaft, die gerade grell ausgeleuchtet wird.

Auch über unsere Angliederung an die NATO sollst Du allein entscheiden. Darüber hinaus versprechen wir, fleißig, dankbar und brav vor den Mauern des Kapitals zu leben.

Nur - bitte, bitte lasse 2/3 von uns konsumieren wie 2/3 Deiner Bürger. Lasse uns nach Lüsten konsumieren, solange bis dir Natur und unsere Gesundheit zusammenbrechen. Lasse uns nach Lüsten konsumieren, auch wenn Milliarden Arme in der Welt erst mal nur unsere Hunde- und Katzenfutter fordern. Lasse uns nach Lüsten konsumieren, bis die Opfer der Weltmarktwirtschaft auf unsere hohe, aber kleine Wohlstandsburg vorrücken.

Ergebungsvoll!
gez. zahlreiche deutsche
SPD- bis DSU-Wähler


So weit, so schlecht. Traurig, aber wahr! Der Kapitalismus ist auf dem Vormarsch. Die Politik der SED hat ihm den Weg geebnet.

Wie ist aus unserem besitzerlosen "Volkseigentum" möglichst viel für die soziale Sicherung möglichst vieler Werktätiger zu retten? Westliche Beteiligung und Übernahme wird nur dort angestrebt, wo es profitable Aussichten gib!. Was soll mit dem unprofitablen Rest geschehen?

Wie ist absehbaren Ansprüchen auf enteigneten Boden zu begegnen?

Die Initiative für eine "Vereinigte Linke" (VL)/Potsdam sucht Mitstreiterinnen wie Mitstreiter für ein realitätsbezogenes Programm zur Verteidigung der Interessen der Werktätigen und zur Überwindung der Zersplitterung der linken sozialen Bewegung.

Im Überschwang von (Wieder-)Vereinigungsphantasien darf nichts aufgegeben werden, was später vielleicht leidvoll zurückerkämpft werden muss.

Wenn uns die Herrschenden schon unter dem Preisdiktat der Bundesrepublik zu verkaufen beginnen, dann müssen wir unseren Preis in die Höhe treiben, dann müssen wir beizeiten gute Ideen für ein gesamtdeutsches/gesamteuropäisches Bündnis moderner Linkskräfte entwickeln.

Die Initiative für eine "Vereinigte Linke" (VL) lädt zu einem Gesprächsabend über anstehende wirtschaftliche Fragen ein. Mo., 12. Februar, 20 Uhr, Potsdam, O.-Nuschke-Str. 54

aus: Märkische Volksstimme, Nr. 35, 10.02.1990, 45. Jahrgang, Unabhängige Tageszeitung im Bezirk Potsdam, Herausgeber: Verlag Märkische Volksstimme

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