Runder Tisch Information 11/4

11. Sitzung
05. Februar 1990


1. Der Direkteinstieg in die Marktwirtschaft ist ein äußerst gefährliches Experiment!

Große Teile der DDR-Bevölkerung identifizieren 40 Jahre Kommandowirtschaft mit einem sozialistischen Experiment und lehnen das ab. Auch der dringend notwendige Übergang in einem ökonomisch gesteuerten Wirtschaftstyp wird daher als Experiment abgelehnt. Sie fordern einen Direktanschluss an die BRD, weil sich deren Marktmechanismus bewährt habe.

Tatsächlich ist aber gerade ein solcher stufenloser Direktübergang in eine Marktwirtschaft das gefährlichste Experiment, das gegenwärtig möglich ist!

2. Der schnelle Anschluss als Wirtschaftsvereinigung mit der BRD ist weder finanzierbar noch politisch beherrschbar!

Die Übernahme der DM in die Geldzirkulation der DDR würde die derzeit bestehenden Schutzmechanismen gegen ökonomischen Niedergang und sozialen Abstieg von Massen von Werktätigen durch Ruin unrentabler Betriebe abbauen: Das führt zu

a) Entwertung aller DDR-Mark Vermögen, d.h. Inflation, die durch einem Wechselkurs selbst von 1 : 3 sind dazu rund 50 MRD DM nötig. Dieser Betrag steht auch der BRD nicht zur Verfügung.

Die Bundesregierung hält gegenwärtig nicht einmal 6 Mrd. DM für finanzierbar, die die SPD für die Altersversorgung fordert.

b) Konkurs von rund 2/3 der DDR-Betriebe aufgrund des Produktivitätsgefälles, das bei der Kalkulation von Kosten und Preisen in DM sichtbar wird und beim Verkauf zu Weltmarktpreisen notwendig eintritt.

Subventionen zum Abfangen dieser Mehrkosten würden einen Finanzaufwand von jährlich etwa 200 Mrd. DM erfordern. Bei rund 2,5 Bio. BRD-Bruttosozialprodukt wären so etwa 30 % gebunden. Sie würden die Position der BRD-Wirtschaft in der Weltmarktkonkurrenz mit den USA und Japan deutlich gefährden. Selbst ein Zehntel dieser Summe ist nicht aufzubringen!

c) Wachsende Abwanderung von Arbeitskräften aus den unterentwickelten DDR- in die hochentwickelten BRD-Regionen in einer sozial und politisch nicht mehr beherrschbaren Größenordnung. Alle Erfahrungen westlicher Länder zeigen, dass dies mittel- und schon gar nicht kurzfristig selbst durch gut funktionierende Regionalausgleichfonds nicht zu bewältigen ist.

Die Massenübersiedlungen würden kurzfristig die Sozialnetze beider deutscher Staaten zerstören, eine rasante Verdrängungskonkurrenz auf dem BRD-Arbeitsmarkt auslösen, die bis in die EG hineinreicht und deren Integrationsprozess dramatisch bedrohen.

3. Der direkte, stufenlose Übergang zu einem ökonomisch gesteuerten Marktwirtschaftstyp ist weltweit durch Fremdfinanzierung nicht gelungen. Er kann nur durch eine bewusst begrenzte Konvertibilität erreicht werden!

- Natürlich sind durch die gewaltigen Fehlinvestitionen, durch absinkende Effektivität und steigenden Staatsverbrauch volkswirtschaftliche Disproportionen entstanden, die nicht ohne Kapitalhilfe abgebaut werden können.

- Eine Kapitalhilfe durch weitere, hohe Verschuldung und IWF-Kredite führt aber zu keinem Ausweg, weil dies kein System einer wechselseitigen Konditionalität ist! Die IWF-Kredite führen so zu wachsenden Zinsbelastungen, die die Investitionsmöglichkeiten weiter verringern.

- Dagegen ist der ecu ein Währungssystem, das auf dem Prinzip der wechselseitigen Konditionalität aufbaut. Die Ausgleichsmaßnahmen werden da gleichermaßen von den entwicklungsstarken und -schwachen Ländern getragen. So kann auf die in schwachen Währungen gehaltenen Einlagen ein Negativzins berechnet werden, der anderseits bestehende Überschüsse stark entwickelter Länder abbaut.

- Um dieses Kapitalhilfsprinzip durchzusetzen, müssten schwächere EG-Staaten, EFTA-Staaten und RGW-Länder Assoziierungsanträge für die EG stellen. Da sie alle das gleiche Problem der ökonomischen Unterentwicklung gegenüber den Starken haben, könnte so eine unter dem Dach der KSZE angesiedelte europäische Investitionsbank geschaffen werden.

- Über einen solchen Hilfsfonds kann ein von der BRD zu finanzierendes Schuldenmoratorium für 10 Jahre einsetzen. Es würde für die BRD eine jährliche Maximalbelastung von 2 Mrd. DM bedeuten, die durch Devisenreserven der Bundesbank gedeckt sind.

- Die Reisendevisenfinanzierung kann auf Grundlage eines durch die BRD gestützten Wechselkurses von 1 : 3 wesentlich erhöht werden. Dabei muss der 1 : 1 zu tauschende Grundbetrag im Wesentlichen gleich bleiben.

4. Bewusst begrenzte Konvertibilität kann nur refinanziert wenn, wenn der stufenweise Übergang zu ökonomischer Wirtschaftssteuerung durch einen staatlichen Rahmenplan einer Wirtschaftsreform abgesichert wird.

- Vereinigte Linke -

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