Erklärung des Beirates der LINKEN LISTE/PDS

Als eine Partei zu den gesamtdeutschen Wahlen

Die etablieren Parteien haben ein neues Wahlgesetz auf den Weg gebracht, das sich allenfalls am untersten Rand der Verfassungsmäßigkeit bewegt. Die undemokratische 5-Prozent-Klausel in zwei Zählgebieten ist geblieben, obgleich das Bundesverfassungsgericht anheimgestellt hatte, vor dem Hintergrund der Besonderheit dieser Wahl diese herabzusetzen. Das richtet sich erneut gegen de Bürgerbewegungen in der DDR.

Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Wahlgesetz wurde die Möglichkeit der Listenverbindung zwischen Parteien der BRD und der DDR für verfassungswidrig erklärt. Diese Listenverbindung war jedoch der Weg auf den sich LINKE LISTE/PDS und PDS auf der Grundlage des jetzt ungültigen Wahlvertragen zur ersten gesamtdeutschen Wahl verständigt hatten.

Die LINKE LISTE/PDS wie auch die PDS sehen sich daher nun vor die Frage gestellt, ob sie auf eine Kandidatur verzichtet ob LINK LISTE/PDS und PDS jeweils getrennt kandidieren oder aber als eine Partei zu den Wahlen antreten und dadurch auch Stimmen in der BRD für eine linke Opposition im künftigen Parlament gewinnen.

Die LINKE LISTE/PDS wie die PDS haben - zunächst unabhängig voneinander und schließlich im Beirat - beschlossen, ihr gemeinsames Anliegen fortzusetzen und in diesem Sinne deshalb auch gemeinsam zu den gesamtdeutschen Wahlen als eine Partei anzutreten.

Wir haben uns aus folgenden Gründen zu diesem Schritt entschlossen:

1. Wir wollen an den politischen Inhalten des Bündnisses festhalten. Die Zusammenarbeit der letzten Monate hat erwiesen, dass ein zusammenkommen verschiedener linker Kräfte aus der DDR und der BRD notwendig und für beide Seiten fruchtbar ist. Von Anfang an ging uns über eine gemeinsame Kandidatur hinaus um einen Neubeginn linker Debatten und Politikentwicklung.

2. Wir halten es zudem für sinnvoll, da Gewicht einer Parlamentsvertretung nicht freiwillig durch eine Kandidatur der PDS, beschränkt auf das Gebiet der ehemaligen DDR, zu verringern. Auf Grund der positiven Resonanz auf das Projekt LINKE LISTE/PDS gehen wir davon aus, dass auch in der ehemaligen BRD viele Menschen für eine starke linke Opposition stimmen werden.

3. Unter den Bedingungen des neuen Wahlgesetzes empfiehlt der Betrat der LINKEN LISTE/PDS nach ausführlicher und kontroverser Diskussion, dass die Landesverbände der LINKEN LISTET/PDS zu Landesverbänden der PDS werden und die PDS diese als eigene Landesverbände anerkennt. Der Beirat ist sich bewusst, dass dieser uns durch das Wahlgesetz aufgezwungene Weg von unseren ursprünglichen Vorstellungen abweicht. Er stellt den notwendigen inhaltlichen Diskussionsprozess verschiedener linker Strömungen Parteistrukturen voran. Die gerade erst begonnenen Diskussionen berühren auch die Fragen "Bewegung und/oder Partei" wie auch den jetzt enger werdenden Bezug auf die PDS. Beides erscheint als Problem und muss deshalb Gegenstand von Auseinandersetzungen bleiben.

Trotz veränderter Ausgangsbedingungen wollen wir an Grundsätzen, wie sie im Wahlprogramm der LINKEN LISTE/PDS verankert sind, festhalten:

". . . Die LINKE LISTE/PDS will eine kritische Stimme in der Gesellschaft und in den Parlamenten sein. Sie ist such kritisch gegenüber sich selbst. Der Widerspruch und der Zweifel gehören zu unserem Selbstverständnis. Untere Diskussionen und Vorstellungen haben Linke unterschiedlicher Herkunft im Westen mit einer Partei, die neue Wege geht, und unabhängigen Linken aus der DDR zusammengebracht."

". . . Diese Bereitschaft gehört zu den Bedingungen der Zusammenarbeit und deshalb haben wir uns für einen behutsamen Annäherungsprozess entschieden. Dieser Prozess schließt ein Politikverständnis ein, in dem verschiedene linke Kulturen innerhalb eines größeren politischen Zusammenhanges produktiv werden."

Allein diese gewollte inhaltliche Vielfalt, die in unserer Verbindung angelegt ist, kann auch unter neuen Bedingungen den politischen Willen stabilisieren, Schwierigkeiten zu begegnen, die sich aus dem Schritt, jetzt Landesverbände der PDS zu werden, ergeben. Wir werden unsere Basis weiter in außerparlamentarischen Bewegungen und unser Pluralität finden. Wir wollen, dass unsere Widersprüche produktiv bleiben; die PDS daraus Impulse für ihre weitere Erneuerung zieht.

Die innerhalb weniger Tage zu treffenden Entscheidungen machen es notwendig, wichtige Punkte der Zusammenarbeit in einer Vereinbarung zwischen der LINKEN LISTE/PDS und der PDS festzuhalten. Der Beirat schlägt der PDS die umgehende Einberufung eines Parteitages vor, auf dem:

• eine Erklärung zum Selbstverständnis der PDS als gesamtdeutschen Linken erarbeitet,

• die Änderung des Namens der PDS in LINKE LISTE/PDS beschlossen;

• eine Vereinbarung über die Bildung von Landesverbänden der LINKEN LISTE/PDS in den westlichen Bundesländern getroffen wird.

Neues Deutschland, Di. 09.10.1990

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