"Für eine bessere, souveräne DDR!" - nun nicht mehr wahr?

NT sprach mit Dietmar P(...), Bezirksvorsitzender der KPD

Was hat es mit der am 21. Januar gegründeten KPD auf sich? Verbirgt sich dahinter die abgespaltene kommunistische Plattform der SED-PDS?

Mitnichten. Die KPD versteht sich als Wiedergründung der KPD, die bis 1946 bestand. Auf diese Partei berufen wir uns auch in unserer Traditionslinie.

Sehen Sie in der 1946 vollzogenen Vereinigung von KPD und SPD [zur SED] auch einen historischen Fakt, der auf Zwang beruht?

Unserer Meinung nach war dieser Prozess kein "auf Befehl von oben" vorangetriebener. Er ergab sich vielmehr aus der konkrethistorischen Situation der vorherigen zwölf Jahre Faschismus in Deutschland, unter denen beide Parteien zu leiden und gegen die sie - jede auf ihre Art - zu kämpfen hatten.

Unabhängig sind wir aber der Meinung, dass die gesamte Frage der Vereinigung beider Arbeiterparteien gründlich aufgearbeitet werden muss. Viele Widersprüche geklärt und auch Fehler ausgewertet werden müssen.

Das gilt im Übrigen ganz speziell auch für die Geschichte unserer eigenen Partei, der KPD. Ich denke da z. B. an solche umstrittenen Themen wie die Rolle des Thälmannschen ZK. Für diese Aufarbeitung der Geschichte benötigen wir aber als Partei Zeit und fundierte Forschungsergebnisse von Historikern. Das steht aber momentan - wohl verständlicherweise - nicht im Vordergrund unserer Parteiarbeit.

Warum nun aber so viele linke Parteien und Gruppierungen in unserem Land, bedeutet das nicht eine weitere Zersplitterung der Kräfte? Warum hätte für Sie z. B. nicht die PDS politische Heimat sein oder bleiben können?

Sicher gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten, die uns mit anderen linken Kräften im Lande, beispielsweise den NELKEN oder der marxistischen Partei verbinden. Zu anderen Fragen wieder haben wir ganz eigene, unterschiedliche Auffassungen, die eben eng verknüpft sind mit kommunistischen Idealen der ehemaligen KPD und die wir auch in einer zukünftigen Gesellschaftsentwicklung gewahrt sehen wollen.

Deshalb ist auch die PDS keine politische Heimat (mehr) für uns. Von einem ganzen Teil der Positionen, die sie noch auf ihren Außerordentlichen Parteitag im Dezember vertrat, ging die PDS inzwischen ab. Da gehen wir aber nicht mit.

Woran denken Sie da in erster Linie?

Als eines der wichtigsten Probleme: an die Zweistaatlichkeit von zwei souveränen deutschen Staaten, der DDR und der BRD.

Wobei die PDS der Einheit Deutschlands ja konföderative Schritte zugrunde legen will. Glauben Sie im übrigen nicht, dass ein festhalten an der Zweistaatlichkeit unter den gegeben Umständen unzeitgemäß ist?

Ich erinnere nur daran, wofür die Menschen im Oktober bzw. November vergangenen Jahres auf die Straße gegangen sind: für einen besseren, gerechteren Sozialismus in einer besseren DDR. Soll das jetzt alles nicht mehr wahr sein?

Außerdem, wo steht den geschrieben, dass ausschließlich die BRD in unsere Wirtschaft investieren, uns "aus dem Schneider" helfen muss und uns als Belohnung dafür einkaufen kann?

Wie stellt sich die KPD eine neue DDR-Wirtschaftsordnung vor?

Wir setzen uns für den Erhalt des gesellschaftlichen Eigentums als dominierende Eigentumsform und für die Vielfalt anderer Formen daneben. Das alles unter den Bedingungen, dass soziale Sicherheit für alle gewährleistet wird. Staatseigentum muss in Volkseigentum überführt werden und das durch die Bodenreform entstandene Eigentum der Bauern gewahrt bleiben. Und es geht auch um eine ökologisch orientierte Umgestaltung der Wirtschaft.

Was die Frage Planwirtschaft oder Marktwirtschaft betrifft, so sprechen wir uns immer noch dafür aus, dass der Staat gewisse Eckpunkte setzen und z. B. infrastrukturelle Fragen planen muss, das tut er in der BRD ja auch.

Wir müssen die Produktion an den realen Bedürfnissen der Menschen orientieren und die Fehler des alten so genannten Sozialismus ausmerzen, in dem der Markt gar keine Rolle spielte. Man sollte den Markt allerdings auch nicht so herausstellen, wie jetzt oft getan.

Und nicht zuletzt dürfen sämtliche Schritte, die wir in der Wirtschaft unternehmen, nicht zu Lasten Dritter, vor allem der Dritten Welt gehen.

Mit etwa 5 000 Mitgliedern ist die KPD noch eine der kleinen Parteien. Wie schätzen Sie Ihre Chancen bei den Wahlen am 18. März ein und wofür steht die KPD nach den Wahlen?

Unsere Chancen, was Sitz und Stimme bei der Volkskammerwahl angeht, sehen wir ganz real als relativ bescheiden an, hoffen aber dennoch vertreten zu sein.

Mehr ins Gewicht fallen wollen wir dann aber auf jeden Fall bei den Kommunalwahlen. Und wir wollen uns dann in Sachen Sozial- und Kommunalpolitik engagieren. Wir verstehen uns als gutes soziales Gewissen, das nicht vieles, was in 40 Jahren an Gutem und Bewährtem geschaffen wurde, den Bach runter gehen lässt. Wir wollen uns für sozial Schwache und Ausgegrenzte einsetzen, wir sind für die Weiterführung des Schulhortes, der Kindergärten und Kinderkrippen. In unseren Augen ist keine dieser Einrichtungen eine "Massenaufbewahrungsstätte". Und auch das Schulwesen sollte - staatlich gestützt - beibehalten werden.

Ebenso muss das Recht auf Ausbildung verfassungsgemäß garantiert werden bzw. bleiben. Arbeitslosigkeit soll ausgeschlossen sein, was nicht heißt, dass der Mensch nicht flexibel einsetzbar und zur (mehrmaligen) in seinem Arbeitsleben bereit sein muss.

Übrigens sind wir sozial engagiert nicht bloß mit dem Mund vorneweg. Mitglieder unserer Partei machen in der neugegründeten Behindertenorganisation mit, in der Gruppe "Rechte für Kinder" und auch in der Volkssolidarität. Dabei steht nicht parteipolitische Profilierungssucht in diesen Organisationen im Vordergrund, sondern soziales Tun.

Ist die KPD für die Volkskammerwahl ein Wahlbündnis eingegangen?

Angestrebt wurde ursprünglich ein Bündnis mit der Vereinigten Linken, das aber aus verschiedenen - hier nicht näher zu bezeichnenden - Gründen nicht zustande kam. Die KPD stellt sich also als einzelne Partei den Wählerstimmen.

Nichts desto trotz sind wir nach der Wahl zur Zusammenarbeit mit linken Kräften bereit, sehen das bei vielen Aufgaben sogar als dringend notwendig an.

Eine abschließende Bitte Herr P(...), Können Sie für unsere Leser kurz etwas zu Ihrer Person sagen?

Ich bin 42 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern. Von Beruf bin ich Staatswissenschaftler und jetzt als Koordinierungsingenieur im durchgehenden Schichtsystem im Halbleiterwerk Frankfurt (Oder).

Es fragte Uta Paschke

aus: Neuer Tag, 03.03.1990, 39. Jahrgang, Frankfurt (Oder), Herausgeber: Verlag Neuer Tag

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