Offener Brief

an den Leiter des Sekretariats des Bundes Evangelischer Kirchen der DDR

Werter Herr Oberkirchenrat Ziegler!

Am 14. Dezember 1989 verständigte sich der Zentralrat der FDJ in seiner 14. Tagung zur gegenwärtigen Lage in unserem Land. Mitglieder der FDJ äußerten ihre Bereitschaft, sich vorbehaltlos für die weitere Erneuerung der Gesellschaft zu engagieren. Aufopferungsvolle Arbeit ist es, was unser Land braucht. Zugleich brachten viele ihre Sorge über die unverminderte Eingrenzung der Grundrechte der jungen Generation in der DDR zum Ausdruck.

Politische Mitbestimmung, das Recht der Jugend auf Arbeit, Bildung, Freizeit und Erholung werden in einer Weise ausgehöhlt, die unerträglich wird. Neue Formen der Interessenvertretung Jugendlicher bilden sich heraus. Ihre staatliche Anerkennung wird verzögert. Die Geduld vieler ist aufs äußerste gespannt. Wir sind der Auffassung, dass sich die Jugend der DDR, die sich in den letzten Monaten deutlich auf der Straße artikulierte und die politische Wende entscheidend prägte, die von der Krise der Gesellschaft in besonderer Weise betroffen ist, nicht ausgeschlossen werden kann, wenn Entscheidungen für die weitere Entwicklung der Gesellschaft und damit für die Zukunft der jungen Generation getroffen werden.

Der Missbrauch der Jugend in der Vergangenheit darf nicht durch neue Diskriminierung ersetzt werden. Auch wir sind mündig. Unser Land kann nur mit der Jugend gesunden und einen Sozialismus mit demokratischem und menschlichem Antlitz entwickeln.

Wir fordern daher, die Grundrechte der Jugend zu achten. Mit der Krise in unserer Republik schwand auch das Vertrauen vieler Jugendlicher in die Parteien, die Interessen der jungen Generation umfassend und konsequent zu vertreten. Unser Standpunkt ist, dass die FDJ als Teil der Jugendbewegung der DDR die Interessen unserer Mitglieder vertreten kann. Wir erwarten, dass wir Sitz und Stimme am "Runden Tisch" am 18. 12. 1989 erhalten.

Freundschaft
Frank Türkowky im Namen der
Teilnehmer der 14. Tagung des
Zentralrats der FDJ

Junge Welt, Fr. 15.12.1989, S. 2

[Die Zulassung der FDJ als Vollmitglied am Zentralen Runden Tisch wird auf der 2. Sitzung am 18.12.1989 abgelehnt.

Der FDJ wird ein Beobachterstatus zugesprochen.]