Standpunkt des Rechtsausschusses des Zentralen Runden Tisches zur Ordnung über die Bürgerkomitees

Vorlage 12/1

1. Wir schlagen vor, eine Verordnung über Bürgerkomitees so anzulegen, dass sie eine strategische Orientierung für die Entfaltung von Elementen der Basisdemokratie im künftigen demokratischen Staat sein kann. Sie könnte in der neuen Verfassung als Form der Basisdemokratie verankert werden. Der gegenwärtig geltenden Verfassung würde sie nicht widersprechen.

Basisdemokratie wird heute vor allem in Form von Bürgerinitiativen und Bürgerkomitees ausgeübt. Unter Bürgerinitiativen wird das organisierte, meist zeitlich begrenzte Zusammenwirken von Bürgern zur Erreichung eines konkreten Zieles verstanden. Sie können regional oder für das ganze Land gebildet werden.

Bürgerkomitees wirken auf örtlicher Ebene als Interessenvertreter der Bevölkerung vorwiegend auf kommunalpolitischem Gebiet. Sie können sich analog zu den Volksvertretungen nur auf der untersten Ebene bilden, so dass einer Volksvertretung je ein Bürgerkomitee gegenübersteht. Dort, wo die Volksvertretung für ein Territorium zuständig ist, das in Wohngebiete oder -bezirke gegliedert ist, können Bürgerkomitees auf der Ebene der Wohngebiete beziehungsweise -bezirke gebildet werden.

Mitglied des Bürgerkomitees kann jeder Einwohner des jeweiligen Territoriums sein.

Anmerkung:

Bei den gegenwärtig existierenden Bürgerkomitees ist zu prüfen, ob sie Bürgerkomitees oder Bürgerinitiativen im Sinne der künftigen Verordnung sind.

2. Bürgerinitiativen arbeiten parteienunabhängig. Die Mitglieder der Bürgerinitiativen legitimieren sich mit dem Personalausweis für Bürger der DDR und einem von der Bürgerinitiative ausgestellten Auftrag, der vom Bürgermeister oder einem von ihm beauftragten Ratsmitglied gegenzuzeichnen ist.

Für Bürgerinitiativen im Sinne dieser Empfehlung sollten folgende Rechte und Pflichten geregelt werden:

- Zugang zu allen Informationen, die sich auf die von Bürgerinitiativen angestrebten Ziele beziehen, soweit er nicht das Recht des Bürgers auf Schutz seiner persönlichen Daten verletzt.

- Sie haben das Recht, eine schriftliche Stellungnahme zu erstellen und gehört zu werden.

- Bei Ablehnung des Standpunktes der Bürgerinitiative ist diese schriftlich vom Entscheidungsträger zu begründen.

- Die Positionen aller beteiligten Seiten müssen der Öffentlichkeit zugänglich sein.

- Verweigern Leiter oder Mitarbeiter der Staatsorgane den Bürgerinitiativen eines der genannten Rechte, kann von Bürgerinitiativen die Beschwerde beim übergeordneten Staatsorgan eingelegt werden. Wird der Beschwerde nicht stattgegeben, ist der Leiter der Untersuchungsabteilung beim Vorsitzenden des Ministerrates zu informieren. Er entscheidet im Zusammenwirken mit den zuständigen Staatsorganen. Wird der Beschwerde durch dieses Organ nicht abgeholfen, besteht das Recht zur gerichtlichen Nachprüfung. Es sollte eine Fristenregelung getroffen werden.

3. In einem künftigen politischen System wird es die Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden geben. In diesen Mechanismus der Selbstverwaltung sollten sich die Bürgerkomitees als ein regulierendes Moment einordnen.

Die örtliche Volksvertretung ist das oberste territoriale Machtorgan. Volksvertretungen, Räte und Staatsapparat müssen aber durch die Gesellschaft kontrollierbar sein. D.h. zu ihren Arbeitsprinzipien müssen Transparenz und Öffentlichkeit gehören. Darüber hinaus bedarf es eigenständiger Gremien, die unabhängig von Staat und Parteien Kulminationspunkte des gesellschaftlichen Willensbildungsprozesses zu territorialen Fragen sein können. Diese Funktion käme den Bürgerkomitees zu. Davon ausgehend könnten sie folgende Aufgaben erfüllen:

Sie sind unverzichtbar bei der Vorbereitung von Entscheidungen, die wichtige Lebensfragen der Bevölkerung betreffen. Ihre Meinung muss angehört werden. Sie können beratende Funktionen haben. Sie können Initiativen an die Volksvertretung herantragen.

Sie sollen helfen, Widersprüche in der territorialen Entwicklung rechtzeitig zu erkennen und aufzudecken. Auf Verlangen sind die Staatsorgane verpflichtet, Daten und weitere Informationen den Bürgerkomitees zur Kenntnis zu geben, um fundierte eigene Einschätzungen treffen zu können.

Die Bürgerkomitees sollen konfliktvorbeugend im Territorium wirken. Gibt es zu Grundfragen des Territoriums gegensätzliche Positionen zwischen Staatsorgan und Bürgerkomitees und muss eine Entscheidung herbeigeführt werden, so gilt das Wort der Volksvertretung. Wird diese Entscheidung nicht von breiten Kreisen der Bevölkerung getragen, so haben sowohl Staatsorgane als auch das Bürgerkomitee das Recht, eine Einwohnerversammlung einzuberufen, wo nach dem Mehrheitsprinzip entschieden wird beziehungsweise das Recht, ein Referendum durchzuführen.

Die Bürgerkomitees achten darauf, dass Rechtsstaatlichkeit herrscht und Machtmissbrauch einzelner ausgeschlossen ist.

AG "Recht", 12. Februar 1990


Der Vertreter der CDU erklärte, dass die Bürgerkomitees nur ein Übergangsmodell seien könnten und basisdemokratische Vorstellungen mit ihren Vorstellungen von repräsentativer Demokratie kollidiert.
Die Vorlage 12/1 wurde bei drei Enthaltungen angenommen.
12. Sitzung des Zentralen Runden Tisches am 12.02.1990


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