Edelbert Richter
wurde 1961 in Berlin aus politischen Gründen exmatrikuliert. Er studierte damals Philosophie an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Studium der Theologie in Halle 1963-68 an der Martin-Luther-Universität. 1976 wurde er promoviert. Studentenpfarrer in Nauenburg 1977-87. In Erfurt wurde er 1987 Dozent am Predigerseminar.
Führend im christlich-marxistischem Dialog tätig. Diskutierte im Arbeitskreis "Theologie und Philosophie" mit. Um ihn bildete sich der Naumburger Friedenskreis. Im Januar 1984 lud er Friedensgruppen zu einem Koordinierungstreffen nach Naumburg ein.
Auf einer Konferenz zur europäischen Nuklearabrüstung im Juli 1985 in Amsterdam brachte er schriftlich den Diskussionsbeitrag "Zu den inneren Ursachen der Blockkonfrontation" ein. War mit Guntolf Herzberg befreundet.
Er unterschrieb eine Eingabe zum XI. Parteitag der SED 1986. 1987 schmuggelte er ein Manuskript zur Deutschen Frage in die BRD, fand dort aber keinen Verleger. Er vertrat die Ansicht, die Anerkennung der Spaltung Deutschlands spiegelt die politische Spaltung der Menschheit, ihre Handlungsunfähigkeit und Lähmung wider.
Im Januar 1989 stellte er in Erfurt im Auftrag des Arbeitskreises Kirche und Gesellschaft vergeblich einen Antrag die Kandidatenliste der Nationalen Front für die Kommunalwahl im Mai durch eigene Kandidaten zu erweitern.
Nahm an einem Kolloquium der Theologieschen Studienabteilung im Juni 1989 in Berlin teil. Beteiligte sich im Juli 1989 am "Statt-Kirchentag".
Teilnehmer an einem Treffen am 21.08.1989 in Dresden, auf dem die Bildung des "Demokratischer Aufbruch - sozial + ökologisch" (DA) verabredet wurde. Im Vorfeld soll ihm Karsten Voigt (SPD) von der Gründung einer Partei abgeraten haben. Damals wurde von dem DA-Gründerkreis noch überlegt, eine Sozialdemokratische Partei in der DDR zu gründen.
Bei seinen Besuch im "nichtsozialistischen Ausland" Anfang September 1989 sprach er mit dem Bundesvorstand der Grünen. "Ach, bloß die Grundrechte wollt ihr!", wurde ihm geantwortet, berichtet er später. Vertretern der SPD stellte er die Frage wie sie über die Neugründung einer sozialdemokratischen Partei in der DDR denken. Dies sei eine zu starke Brüskierung der SED, wurde ihm geantwortet. (1)
Mitglied des Initiativkreises zur Gründung des DA. Am 26.09.1989 stellte er den DA in Erfurt vor.
Er wurde am Abend des 30.09.1989, am nächsten Tag sollte der Demokratische Aufbruch gegründet werden, auf dem Bahnhof in Weimar festgenommen. In Weimar fand ein Treffen Thüringer Basisgruppen statt. Die Stasi-Leute klebten wie Kletten an ihm. Einen Tag zuvor war ihm von staatlicher Seite dringend empfohlen worden nicht nach Berlin zu fahren.
Er war Mitglied des Parteivorstandes. Trat aus dem DA aus. Der Thüringer Landesparteitag am 20.01.1990 gab den letzten Anstoß. Am 27.01.1990, dem Tag, als der SPD-Landeverband in Gotha gegründet wurde, trat er in die SPD ein und 2005 wieder aus.
Abgeordneter in der Volkskammer 1990 und dort im Ausschuss Presse und Medien. Abgeordneter im Europa-Parlament 1991-94. Danach Mitglied des Deutschen Bundestages.
Vorsitzender im Ausschuss Deutsche Einheit der Volkskammer. Nach dessen zahlenmäßigen Vergrößerung stellvertretender Vorsitzender.
Mitglied der DDR-Delegation bei den 2+4-Verhandlungen.
Mitinitiator der "Erfurter Erklärung" im Januar 1997. Gründungsmitglied des "Willy-Brandt-Kreies" im Dezember 1997.
"Wo liegt denn die Gefahr für die Demokratie von heute? Die Diktatur von gestern ist das nicht. Die Hauptgefahr heute liegt in der Dominanz des großen Geldes", meinte er 1997. (2) Und: "Die Revolution von 89 ist noch nicht zu Ende." (3)
Eine Koalition zwischen SPD und PDS in Thüringen befürwortete er 1999. Unterschrieb im August 2004 eine Erklärung von ehemaligen DDR-Oppositionellen gegen Hartz IV. Im Februar 2005 unterschrieb er eine Erklärung des Willy-Brandt-Kreises zum künftigen Umgang mit den Stasiakten.
Er unterzeichnete die Erklärung "Christen brauchen keine Garnisonkirche!".
Mitglied im Kuratorium der Deutschen Gesellschaft e. V.
1999 meinte er, eine der Ursachen, dass der "Westen" den "Osten" wirtschaftlich niederrag sei die neoliberalen Abkehr von Wohlfahrtstaat. Und nach dem "Sieg" wurde so weitergemacht als hätte es 1989 nie gegeben. Außerdem meinte er, der real existierende Sozialismus sei 1989 nicht zusammengebrochen, weil was nicht real war konnte auch nicht zusammenbrechen, es war der Zusammenbruch der sozialistischen Ideologie. (4)
Er hält eine "Dritten Weg" für notwendig. "Der Unterschied zwischen dem Wissen darum, dass in der Geschichte oft das Gegenteil dessen herauskommt, was man eigentlich will, und der leiblichen Erfahrung dieser Wahrheit ist beträchtlich".
Der am 25.02.1943 in Chemnitz geborene Edelbert Richter verstarb am 23.07.2021 in Weimar.
(1) Richter Edelbert: Erlangte Einheit verfehlte Identität Auf der Suche nach den Grundlagen für eine neue deutsche Politik, KONTEXT verlag Berlin, 1. Auflage 2001, S. 18f
(2) die tageszeitung, 17.12.1997
(3) die tageszeitung, 15.04.1997
(4) Edelbert Richter in Eckhard Jesse, (Hg.): Eine Revolution und ihre Folgen, 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz, CH. Links Verlag Berlin, 2000
zu Edelbert Richters Internetseite