Pressekonferenz zu Ergebnissen der Ministerratssitzung

URLAUBSVERLÄNGERUNG. Jeder Werktätige im Arbeitsrechtsverhältnis erhält ab 1. Januar 1990 zwei Tage mehr Grundurlaub. Das gab Regierungssprecher Wolfgang Meyer gestern Nachmittag auf der internationalen Pressekonferenz in Berlin bekannt. Mit diesem Beschluss folgte die Regierung einem Antrag des Außerordentlichen Gewerkschaftskongresses. Ferner werde Betrieben das Recht eingeräumt, drei Tage Treueurlaub zu vereinbaren, wenn "das Leistungsvermögen und die ökonomische Effektivität eine solche Vereinbarung zulassen".

Wie Meyer weiter mitteilte, waren Schwerpunkte der Ministerratstagung vom Donnerstag die Auswertung von Ergebnissen des Runden Tisches und der letzten Volkskammertagung. Hans Modrow habe erklärt, dass der Runde Tisch die von der Regierungsdelegation in Bonn geleistete Arbeit mitgetragen habe und es auf der Volkskammertagung keinen Widerspruch zu seiner Regierungserklärung gab.

KEINE PREISERHÖHUNG. Behandelt wurde die aktuelle Situation beim Warenangebot von Nahrungs- und Genussmitteln. Manfred Flegel, Minister für Handel und Versorgung, teilte mit, dass der Tagesumsatz im Handel teilweise das Zwei- bis Vierfache des Normalen erreichte.

Die Regierung werde jedoch die stabile Versorgung der Bevölkerung garantieren. Als Sofortmaßnahmen wurden die schnelle Auslagerung von Fleisch und Geflügel aus Kühlhäusern, die zusätzliche Schlachtung und Sonderschichten in der Nahrungsgüterwirtschaft genannt. Wenn nötig, werde man Bestände der Staatsreserve einsetzen und zusätzlich Waren importieren. Fakt ist jedenfalls: Vor derb 18. März 1990 wird es in der DDR keine Preiserhöhungen für Nahrungs- und Genussmittel geben.

GESETZENTWÜRFE. Den Medienvertretern wurde vom Minister der Leichtindustrie, Dr. Gunter Halm, mitgeteilt, dass der Ministerrat nach eingehender Beratung einen Gesetzentwurf über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmer der Volkskammer zur weiteren Behandlung vorgelegt hat. Im Entwurf seien auch Regelungen enthalten, wie die 1972 in Volkseigentum übergeführten Betriebe in die früheren Vermögensverhältnisse zurückgeführt werden können. Gleichfalls behandelte das Kabinett einen Entwurf für ein neues Gewerbegesetz. Hierin sei Grundsatz die volle Gewerbefreiheit. So kann künftig jeder Bürger, der eine entsprechende Qualifikation und Eignung vorweist, ein Gewerbe betreiben.

Der Regierungssprecher informierte über weitere Vorlagen, die Gegenstand der Sitzung waren: Entwürfe des Versammlungsgesetzes und des Gesetzes über die Rechte von Eigentümern von Grundstücken aus der Bodenreform und der Entwurf einer Verordnung über die Tätigkeit von Rechtsanwälten mit eigener Praxis.

VERTEIDIGUNGSKONZEPT. Zu einem Schwerpunkt der Pressekonferenz gehörten Überlegungen der Regierung zu einem Verteidigungskonzept mit Blick auf ein geeintes Deutschland. Verteidigungsminister Theodor Hoffmann erklärte, ein "künftig einheitliches Deutschland sollte über ein Bundesheer verfügen, das sich aus Bürgern aus allen Teilen dieses Staates zusammensetzt". Nach seiner Auffassung sei denkbar, dass beide deutsche Staaten im Verlaufe der politischen und wirtschaftlichen Einigung Mitglieder ihrer jeweiligen militärischen Bündnisse bleiben.

Auf Fragen nach der Stärke des eventuellen Bundesheeres betonte Hoffmann, er könne sich eine Gesamtarmee von 300 000 Mann vorstellen. Weitere Reduzierungen bis auf 150 000 Mann seien eines Tages denkbar - aber auch dann strukturiert mit Land-, Luft- und Seestreitkräften.

Neues Deutschland, Fr. 23.02.1990, Nr. 46, 45. Jahrgang

Δ nach oben