Beschluss des Ministerrates
über die Satzung der Treuhandanstalt
vom 18. Juli 1990

Die Satzung der Treuhandanstalt wird beschlossen (Anlage).

Die Satzung ist der Volkskammer zur Bestätigung vorzulegen.

Berlin, den 18. Juli 1990

Der Ministerrat
der Deutschen Demokratischen Republik

de Maizière
Ministerpräsident

Anlage
zu vorstehendem Beschluss

Satzung der Treuhandanstalt
vom 18. Juli 1990

In Durchführung des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (Treuhandgesetz) vom 17. Juni 1990 (Gbl. I Nr. 33 S. 300) wird für die Treuhandanstalt folgende Satzung beschlossen:

§ 1

Rechtsstellung der Treuhandanstalt

(1) Die Treuhandanstalt ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie hat bei der Erfüllung ihrer Aufgaben die Grundsätze der sozialen Marktwirtschaft zu beachten und hat gemeinnützigen Zwecken zu dienen.

(2) Die Treuhandanstalt unterliegt der Aufsicht des Ministerpräsidenten.

(3) Sitz der Treuhandanstalt ist Berlin.

Aufgaben, Rechte und Pflichten der Treuhandanstalt

§ 2

Die Aufgaben der Treuhandanstalt werden nach Maßgabe des Treuhandgesetzes durch den Auftrag bestimmt, das ihr übertragene, bisher volkseigene Vermögen zu privatisieren und zu verwerten. Zu diesem Zweck hat sie

- die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen,

- die Sanierung und Strukturanpassung der Unternehmen an die Erfordernisses des Marktes zu unterstützen.

- die Entwicklung effektiver Unternehmensstrukturen zu fördern.

§ 3

Zur Durchführung ihrer Aufgaben hat die Treuhandanstalt Voraussetzungen insbesondere zur Realisierung folgender Maßnahmen zu schaffen:

- Veräußerung von Geschäftsanteilen, Aktien und anderen Vermögenswerten von Unternehmen zu Marktbedingungen,

- Beteiligungen durch in- und ausländische Investoren an Unternehmen,

- Durchführung von Sanierungsmaßnahmen,

- Einführung von Unternehmen am Kapitalmarkt und Unterstützung der Emission von Wertpapieren sowie

- Auflösung von nicht mehr sanierungsfähigen Unternehmen.

§ 4

(1) Die Treuhandanstalt ist nach Maßgabe des Artikels 27 des zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Staatsvertrages berechtigt, im Rahmen des § 2 Abs. 7 des Treuhandgesetzes:

- Kredite aufzunehmen,

- Schuldverschreibungen zu begeben sowie

- Bürgschaften und Garantien zu übernehmen.

(2) Die Treuhandanstalt wird nach einer Bestandsaufnahme des bisher volkseigenen Vermögens und seiner Ertragsfähigkeit sowie nach seiner vorrangigen Nutzung für die Strukturanpassung der Wirtschaft und die Sanierung des Staatshaushaltes in Durchführung des § 5 Abs. 2 des Treuhandgesetzes auf der Grundlage von Gesetzen die Möglichkeit vorsehen, Bürgern ein Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen einzuräumen.

Dezentrale Organisationsstruktur

§ 5

(1) Die Treuhandanstalt verwirklicht ihre Aufgaben in dezentraler Organisationsstruktur über Treuhand-Aktiengesellschaften.

(2) Von der Treuhandanstalt sind entsprechend den im § 2 genannten Aufgaben gemäß § 7 Abs. 2 des Treuhandgesetzes branchenübergreifende Treuhand-Aktiengesellschaften zu gründen (Anlage).

(3) Die Treuhandanstalt ist gemäß § 7 Abs. 2 des Treuhandgesetzes alleiniger Gründer der Treuhand-Aktiengesellschaften.

(4) Die Treuhandanstalt übernimmt die Aktien der Treuhand-Aktiengesellschaften. Die Aktien sind nicht übertragbar.

§ 6

(1) Durch die Treuhandanstalt ist zu sichern, dass die Treuhand Aktiengesellschaften nach wirtschaftlichen Grundsätzen organisiert und tätig werden und die Privatisierung und Verwertung des ihnen übertragenen Vermögens rasch und umfassend durchgeführt wird.

(2) Hierzu kann die Treuhandanstalt alle sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebenden Möglichkeiten gegenüber den Treuhand-Aktiengesellschaften zur Erfüllung ihrer Aufgeben nutzen.

§ 7

Verwaltungsrat, Zusammensetzung

(1) Der Verwaltungsrat besteht aus einem Vorsitzenden und sechzehn Mitgliedern.

(2) Mitglied des Verwaltungsrates kann nicht sein, wer gesetzlicher Vertreter eines von der Treuhandanstalt abhängigen Unternehmens ist. Dies gilt nicht für den ersten Verwaltungsrat.

(3) Der Verwaltungsrat siebt sich zusammen aus:

- dem Vorsitzenden und sieben weiteren Mitgliedern die vom Ministerrat berufen werden,

- zwei Mitgliedern, die der Volkskammer angehören und von ihr gewählt werden,

- sieben Mitgliedern, die auf Vorschlag des Ministerpräsidenten von der Volkskammer berufen werden.

(4) Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden für zwei Jahre bestellt. Eine Wiederbestellung ist möglich.

(5) Für die Abberufung und Abwahl von Mitgliedern des Verwaltungsrates gilt Abs. 3 entsprechend.

(6) Für Jedes Mitglied des Verwaltungsrates kann ein Ersatzmitglied bestellt werden, das für die Dauer der restlichen Amtszeit Mitglied des Verwaltungsrates wird, wenn das Verwaltungsratsmitglied vor Ablauf seiner Amtszeit wegfällt. Für die Bestellung und Abberufung des Ersatzmitgliedes gelten Absätze 2 bis 5 entsprechend.

(7) Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Verwaltungsratsmitglieder § 116 des Aktiengesetzes sinngemäß.

§ 8

Aufgaben des Verwaltungsrates

(1) Der Verwaltungsrat überwacht und unterstützt die Geschäftstätigkeit des Vorstandes.

(2) Der Verwaltungsrat nimmt regelmäßig Berichte des Vorstandet entgegen und kann Unterlagen prüfen oder prüfen lassen. Er berät ihn in allen Grundfragen der Privatisierung und Verwertung des der Treuhandanstalt übertragenen bisher volkseigenen Vermögens sowie in allen weiteren Aufgaben gemäß dieser Satzung.

(3) Der Vorsitzende des Verwaltungsrates ist unverzüglich vom Präsidenten der Treuhandanstalt über alle wichtigen Geschäftsangelegenheiten zu unterrichten.

(4) Der Verwaltungsrat wird Geschäfte und Rechtshandlungen des Vorstandes der Treuhandanstalt von besonderer Bedeutung von seiner Zustimmung abhängig machen.

(5) Der Wirtschaftsplan der Treuhandanstalt bedarf der Zustimmung des Verwaltungsrates.

§ 9

Sitzungen und Beschlussfassung

(1) Der Verwaltungsrat tritt auf Einladung seines Vorsitzenden zusammen, so oft es die Lage der Geschäfte erfordert, mindestens jedoch vierteljährlich. Er muss ferner einberufen wenden auf Verlangen der Volkskammer, des Ministerpräsidenten, eines der stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates oder sofern mindestens acht Mitglieder des Verwaltungsrates es beantragen.

(2) Die Einladung hat unter Mitteilung der Tagesordnung zu erfolgen. Die Sitzung muss binnen zwei Wochen nach Einladung stattfinden. An den Sitzungen das Verwaltungsrates kann der Ministerpräsident oder eine von ihm beauftragte Person und jeweils ein Vertreter das Ministeriums für Wirtschaft, des Ministeriums der Finanzen und des Ministeriums für Arbeit und Soziales teilnehmen.

(3) Der Verwaltungsrat ist beschlussfähig, wenn alle Mitglieder unter der zuletzt bekanntgegebenen Anschrift eingeladen und mindestens neun Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden oder eines Stellvertreters anwesend sind.

(4) Die Beschlüsse des Verwaltungsrates werden mit einfacher Stimmenmehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. Im Falle der Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

(5) Ein abwesendes Mitglied kann seine schriftliche Stimmabgabe durch ein anderes Mitglied oder den Vorstand der Treuhandanstalt überreichen lassen.

(6) Der Vorsitzende des Verwaltungsrates kann Beschlüsse auch ohne Einberufung einer Sitzung im Wege schriftlicher oder telegrafischer Abstimmung herbeiführen, wenn kein Mitglied des Verwaltungsrates diesem Verfahren widerspricht.

(7) Über die Sitzungen des Verwaltungsrates ist eine Niederschrift anzufertigen, die der Vorsitzende zu unterzeichnen hat.

(8) Die Mitglieder des Verwaltungsrates erhalten neben dem Ersatz ihrer Auslagen eine Vergütung. Die Vergütung wird vom Ministerpräsidenten festgelegt.

(9) Für die innere Ordnung des Verwaltungsrates finden die Vorschriften des Aktiengesetzes Anwendung, sofern nicht andere Gesetze dem entgegenstehen.

§ 10

Ausschüsse des Verwaltungsrates

Der Verwaltungsrat kann zur Wahrnehmung seiner Aufgaben ständige oder zeitweilige Ausschüsse bilden.

Vorstand

§ 11

(1) Vorstand besteht aus dem Präsidenten der Treuhandanstalt, seinem Stellvertreter und mindestens 3 weiteren Vorstandsmitgliedern.

(2) Der Präsident, sein Stellvertreter und die weiteren Mitglieder des Vorstandes werden vom Verwaltungsrat auf vier Jahre bestellt. Sie können abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

(3) Die Vorstandsmitglieder bedürfen zur Übernahme der Mitgliedschaft in einem Aufsichtsrat außer der in einer Treuhand-Aktiengesellschaft der Einwilligung des Verwaltungsrates. Auch sonstige Nebenämter und Nebentätigkeiten bedürfen der Einwilligung des Verwaltungsrates; sie sind vor Bestellung offenzulegen.

(4) Die Treuhandanstalt wird im Rechtsverkehr gemeinschaftlich durch zwei Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied gemeinsam mit einem bevollmächtigten Direktor vertreten.

§ 12

(1) Der Vorstand führt die Geschäfte der Treuhandanstalt nach Maßgabe des Treuhandgesetzes, dieser Satzung und vom Ministerrat bestätigten Geschäftsordnung. Er ist für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben und für die Durchführung der Beschlüsse des Verwaltungsrates verantwortlich.

(2) Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder ist § 93 des Aktiengesetzes entsprechend anzuwenden.

§ 13

Kapitalbeteiligungen

(1) Die Treuhandanstalt ist Inhaber der Anteile der Kapitalgesellschaften, die durch Umwandlung der im Register volkseigenen Wirtschaft eingetragenen volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen juristisch selbständigen Wirtschaftseinheiten auf der Grundlage des Treuhandgesetzes entstehen oder die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes einschließlich der auf der Grundlage der Verordnung vom 25. Januar 1990 über die Gründung und Tätigkeit von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in der DDR (GBl. I Nr. 4 S. 16) gebildeten Unternehmen bereits entstanden sind.

(2) Diese Anteile werden durch Verordnung des Ministerrates den Treuhand-Aktiengesellschaften übertragen. Der Verwaltungsrat der Treuhandanstalt ordnet nach Zweckmäßigkeitsgründen den einzelnen Treuhand-Aktiengesellschaften von ihnen zu haltenden Anteile der Kapitalgesellschaften zu.

§ 14

Übersicht über Kapitalbeteiligungen

Die Treuhandanstalt hat eine ständige Übersicht über die von ihr unmittelbar und mittelbar gehaltenen Beteiligungen zu führen.

§ 15

Wirtschaftsplan

Die Treuhandanstalt hat im Einvernehmen mit dem Ministerrat einen Wirtschaftsplan einschließlich eines Finanzierungsplanes aufzustellen.

§ 16

Jahresabschluss und Lagebericht

(1) Der Vorstand der Treuhandanstalt hat einen ihrem Charakter und ihren Aufgaben entsprechenden Jahresabschluss in angemessenen Fristen und einen Lagebericht aufzustellen. Sie sind durch unabhängige, vom Verwaltungsrat im Einvernehmen mit dem Rechnungshof der Republik zu bestellende Wirtschaftsprüfer zu prüfen.

(2) Der Jahresabschluss und der Lagebericht bedürfen der Feststellung durch den Verwaltungsrat.

§ 17

Prüfung durch den Rechnungshof

Der Rechnungshof der Republik prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Treuhandanstalt.

§ 18

Schlussbestimmung

Die Satzung der Treuhandanstalt tritt mit ihrer Veröffentlichung in Kraft.

Anlage

Gliederung der von der Treuhandanstalt
zu gründenden Treuhand-Aktiengesellschaften

Es werden folgende Treuhand-Aktiengesellschaften gebildet:

- Schwerindustrie

- Investitionsgüterindustrie

- Konsumgüterindustrie

- Dienstleistungen

Gesetzblatt Teil I Nr. 46, Ausgabe 3. August 1990

Am 22.07.1990 wird die Satzung von der Volkskammer bestätigt und von Ministerpräsident Lothar de Maizière am 27.07.1990 unterzeichnet. Die Empfehlung des Volkskammerausschusses für Land- und Forstwirtschaft, eine eigene Treuhandanstalt für Land- und Forstwirtschaft innerhalb der Treuhandanstalt zu bilden, ist er nicht gefolgt.


Beschluss

der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik
zur Bestätigung der Satzung der Treuhandanstalt
vom 22. Juli 1990

Die Volkskammer bestätigt die durch den Ministerpräsidenten am 18 Juli 1990 der Volkskammer vorgelegte Satzung der Treuhandanstalt, verzeichnet auf Drucksache Nr. 156, mit nachfolgenden Empfehlungen:

In § 5 Abs. 5 ist einzufügen.

"Die Treuhandanstalt verwirklicht ihre Aufgabe im Bereich der Land- und Forstwirtschaft über eine Anstalt des öffentlichen Rechts (Treuhandanstalt Land- und Forstwirtschaft)."

§ 11 Abs. 3 Satz 2 wird ergänzt:

"..., sie sind vor der Bestellung beim Verwaltungsrat offenzulegen."

In der Anlage zur Satzung der Treuhandanstalt "- Handel und Dienstleistungen" ist es dem Verwaltungsrat der Treuhandanstalt freigestellt, die Zuordnung des Handels in Kombination mit Dienstleistungen beizubehalten oder anderweitig zuzuordnen.

Vorstehender Beschluss wurde von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik in ihrer 27. Tagung am 22 Juli 1990 gefasst.

Berlin, den 22. Juli 1990

i.V. Höppner
Die Präsidentin der Volkskammer
der Deutschen Demokratischen Republik


Die Drucksache Nr. 156 ist der Antrag des Ministerrates der DDR vom 18.07.1990, die Volkskammer möge die Satzung der Treuhandanstalt beschließen.

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