Hilfe für den Strelasund
Aus der Arbeit der Interessengemeinschaft zum Schutz dieser Landschaft
In Stralsund wurde eine Interessengemeinschaft zur Bewahrung und Gestaltung der Strelasund-Landschaft gegründet. Über die Vereinigung sprachen wir mit ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Dr. Henning Klostermann.
BZ: Warum wurde diese Interessengemeinschaft gegründet?
H. Klostermann: Der Vereinigung geht es vor allem um die spürbare Reduzierung der Umweltbelastungen der Strelasund-Landschaft. Der Zustand ist sehr bedrohlich. Unsere jüngste Initiative ist ein Offener Brief an die Ratsvorsitzenden der Kreise Grimmen, Rügen und den Landkreis Stralsund sowie an den Oberbürgermeister von Stralsund. Darin haben wir unsere Befürchtungen über die mögliche Freigabe von bislang militärisch genutzten Gebieten geäußert. Es darf nicht sein, dass in diesen Territorien mit Naturschutzcharakter plötzlich bebaute Naherholungsgebiete oder Häfen für Segelboote entstehen, ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfungen anzustellen. Da sich keine Behörde mit solcher Landschaftsplanung befasst, versuchen wir mit unseren Mitteln den Landschaftsfraß zu verhindern.
BZ: Welche Chancen sieht die Vereinigung, mit den Betrieben ins Gespräch über den Umweltschutz zu kommen?
H. Klostermann: Das Interesse der Leiter am bewussten Umweltschutz ist insgesamt gewachsen. Immer mehr sehen auch Direktoren ein, dass die Ökonomie heute nicht mehr den Vorrang vor der Ökologie hat. Diese Überzeugungen zu festigen, gehört zu den Anliegen unserer Vereinigung. Wir verfolgen mit unserer Arbeit nur solche Ziele, die auch realistisch sind.
BZ: Welche konkreten Schwerpunkte sehen Sie dabei?
H. Klostermann: Uns geht es um die exakte Zustandsanalyse und genaue Kartierung einerseits der natürlich ablaufenden Prozesse und andererseits der von der Gesellschaft verursachten Belastungen der Öko-Systeme am Strelasund. Erst wenn genau klar ist, wie groß die tatsächliche Belastung des Festlandes, des Wassers sowie des Ufers ist, können wir eingreifen und auf Veränderungen drängen. Schwerpunkt unserer Arbeit ist auch die Ufergestaltung und der Zustand des Landschaftsschutzgebiets "Mittlerer Strelasund". Seit den 70er Jahren ist die Arbeit auf diesem Gebiet sehr vernachlässigt.
BZ: Wie reagieren die Betriebe auf Ihre Vorstellungen?
H. Klostermann Die meisten sind bereit, sich den aktuellen Umweltschutzaufgaben zu stellen und aktiv mitzuarbeiten. Natürlich sind sie durch fehlende Mittel nur bedingt dazu in der Lage. Aber Vorhandenes besser nutzen, darauf darf man nicht verzichten. 30 Betriebe haben bislang ihre Mitarbeit erklärt. Vertreter der NVA haben uns zugesichert, beim Beseitigen von wilden Deponien, die es unmittelbar am Strelasund zur Genüge gibt, mitzuarbeiten. Den ersten Einsatz gab es bereits. Angehörige der VP-Bereitschaft haben fünf Lkw-Ladungen Unrat vom Strand abgefahren. In der nächsten Zeit werden wir mit dem Angler- und Seglerverband reden. Es kann nicht angehen, dass am Ufer Bootsschuppen aus Wellasbest oder massive Molen aus alten Betonteilen und Altreifen stehen. Weiterhin haben wir uns vorgenommen, von Stralsund aus einen Wanderweg, den ersten übrigens, am Ufer des Strelasunds entlang, anzulegen. Er ist sehr notwendig. Gerade deshalb, weil bisher noch nicht klar ist, ob im Sommer 1990 das strikte Badeverbot erteilt wird.
BZ: Was unterscheidet den Strelasund von anderen küstennahen Gewässern?
H. Klostermann Zuerst die wenigen Vorfluter, die vom Festland aus in den Strelasund münden. Wenn sie verschmutzt einfließen, können sie sich wegen der von Natur aus fehlenden Strömung die Nährstoffe nicht verteilen und selbst abbauen. Dazu kommt die mittlere Wassertiefe von nur vier Metern und die Abwasserbelastung der umliegenden Betriebe. Das alles führt dazu, dass das Selbstreinigungssystem des Gewässers stark eingeschränkt ist.
BZ: Wer ist der Hauptverschmutzer des Strelasunds?
H. Klostermann: Nicht, wie meist angenommen, die Volkswerft, in der 8 000 Werktätige arbeiten, sondern die Stralsunder Zuckerfabrik.
Das Gespräch führte
Lutz Schnedelbach
aus: Berliner Zeitung, Jahrgang 46, Ausgabe 3, 04.01.1990. Die Redaktion wurde mit dem Karl-Marx-Orden, dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnet.