Geduld der Metaller ist jetzt zu Ende

Fragen an Hartwig Bugiel, Vorsitzender des Zentralvorstandes der IG Metall

• Worum gebt es jetzt für die IG Metall?

Um kompromisslose Vertretung der Mitgliederinteressen. Unsere Geduld ist zu Ende. Jeden Tag werden neue Schweinereien ans Licht gebracht. Untersuchungsausschüsse tagen und reden. Aber noch nicht einer, der sich schuldig vor dem Volk gemacht hat, steht vor Gericht. Die Metaller fordern von der Regierung Modrow, dass jetzt endlich durchgegriffen wird. Konsequent, öffentlich und sofort.

• Was kennzeichnet euer jüngst beschlossenes Arbeitsprogramm?

Volle Unabhängigkeit und Eigenständigkeit, einschließlich Finanzhoheit. Autonome Tarifarbeit, die sachkundig, verantwortungsbewusst und leistungsgerecht in Ordnung bringt was dringend nottut - vom Lohn aber Prämie bis zum Urlaub. Soziale Gerechtigkeit eben. Ein schließlich notwendigen Reallohnausgleichs bei Wegfall von Subventionen. Aber auch Schutz vor möglichen negativen Folgen neuer Eigentumsformen in der Wirtschaft. Die Mitsprache der Mitglieder in allen sie betreffenden Fragen im Betrieb und im Staat muss eindeutig gesichert und gewährleistet sein.

• Reicht das Arbeitsgesetzbuch nicht aus?

Keinesfalls. Und es wird ja jetzt schon laufend verletzt. Viele ehrliche Kollegen, die bis her Gewerkschaftsvertreter waren, merken das täglich. Und die, die es sind, ebenfalls. In einem Staßfurter Betrieb beispielsweise fordert der Betriebsleiter von der BGL schon Raummiete.

Bereits jetzt steht die Frage doch in vielen Betrieben so, ob Direktoren einfach selbstherrlich über gewerkschaftliche Interessenvertretung oder nicht entscheiden können. Ich verlange von der Regierung Modrow Sofortmaßnahmen. Garantien für Interessenschutz und seine Vertreter müssen her. Das schließt die gesetzestreue Behandlung aller ein, die sich oft jahrelang ehrlich und redlich um Interessenvertretung bemüht haben, aber dabei ein Opfer der Verhältnisse wurden. Dringend nötig ist ein Gewerkschaftsgesetz. Wir müssen daran mitarbeiten können.

• Finanzhoheit - steht diese Forderung nicht im Gegensatz zu dem vom bisherigen Bundesvorstand vorgelegten Satzungsentwurf?

Eindeutig. Unsere Mitglieder, bei denen das Arbeitsprogramm der IG in der gegenwärtigen Diskussion viel Zustimmung findet, haben kein Vertrauen mehr in eine FDGB-Finanzhoheit. Bereits jetzt werden Beiträge auf "Sperrkonten" eingezahlt. Begründung Sie stehen der IG Metall zu.

In den Leitungen muss jetzt schnell und selbständig entschieden werden können, welche Gewerkschaftsaufgaben hauptamtlich wahrgenommen werden müssen, um Interessenvertretung zu garantieren. Dabei muss klar sein, wie die Kollegen materiell und sozial gesichert sind. Während der Wahlperiode und auch danach.

• Mitgliederschwächere Gewerkschaften als die 16 Metall sehen die Frage Finanzhoheit anders . . .

Wir sprechen uns für eine starke gewerkschaftliche Dachorganisation aus, die im Auftrag ihrer Einzelgewerkschaften und deren Betriebsorganisationen gemeinsame Interessen koordiniert und wahrnimmt. Gegenüber der Regierung, aber zum Beispiel auch im Feriendienst, der Sozialversicherung. Dazu ist Geld nötig, ganz klar.

Was die Bedenken mitgliederschwächerer Gewerkschaften angeht - wir verstehen sie. Und wir sind dafür, die neue Finanzordnung so zu regeln, dass auch diese Gewerkschaften unabhängig arbeiten können. Beispiels weise aber Formen der Umverteilung zwischen mitgliederstarken und -schwächeren Gewerkschaften.

Wolfgang Schünke

Tribüne, Fr. 08.12.1989

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