Gemeinsame Pressemitteilung
über den Besuch einer Delegation des Bundesvorstandes des FDGB vom 12. bis 15. September 1989 beim DGB

Eine Delegation des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes unter der Leitung des Vorsitzenden, Harry Tisch, weilte auf Einladung des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom 12. bis 15. September 1989 in der Bundesrepublik Deutschland.

Während des Aufenthaltes fand ein intensiver Informations- und Meinungsaustausch mit einer Delegation des Bundesvorstandes des DGB unter Leitung des Vorsitzenden, Ernst Breit, statt. Die Gespräche verliefen in einer freundlichen und offenen Atmosphäre. Themen waren dabei vor allem die Tätigkeit beider Gewerkschaftsorganisationen, die internationale Entwicklung sowie aktuelle Fragen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.

Übereinstimmend drückten beide Seiten ihre Befriedigung darüber aus, dass sich die Beziehungen Zwischen dem DGB und dem FDGB gemäß der Vereinbarung von 1987 positiv entwickelt haben. Ernst Breit und Harry Tisch betonten die Nützlichkeit eines kontinuierlichen Dialogs zwischen DGB und FDGB, der ein geeignetes Mittel sei, ein besseres Verständnis füreinander, auch in unterschiedlichen und gegensätzlichen Positionen, zu wecken. Beide Gewerkschaftsbünde wollen damit weiterhin einen eigenständigen Beitrag für die Förderung eines normalen, gutnachbarlichen Verhältnisses zwischen beiden deutschen Staaten leisten. Diesem Anliegen dient auch der vereinbarte weitere Ausbau der Beziehungen zwischen DGB und FDGB.

Bei der Erörterung internationaler Fragen stand der Beitrag der Gewerkschaften für die Bewahrung eines dauerhaften Friedens im Mittelpunkt. Der Ausbruch des vom Nationalsozialismus entfesselten zweiten Weltkrieges vor 50 Jahren ist für DGB und FDGB im besonderen Maße Veranlassung, sich dafür einzusetzen, dass Deutsche nie wieder Anlass zum Krieg geben, sondern dass sie Frieden stiften.

Beide Seiten begrüßten die positiven Veränderungen in den internationalen Beziehungen, mit denen eine Wende von der Konfrontationspolitik zu einer Politik der Entspannung und Abrüstung eingeleitet wurde. Ziel müsse es sein, keinen Stillstand im Abrüstungsprozess zuzulassen und ihn unumkehrbar zu machen.

DGB und FDGB sprachen sich dafür aus, dass die Zukunft eines "gemeinsamen Hauses Europa" nur im kooperativen Miteinander und nicht in Konfrontationen zueinander gestaltet werden kann. Dazu gehöre auch die Anerkennung der Unverletzlichkeit der Grenzen sowie die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa. Ernst Breit betonte, dass ein gemeinsames europäisches Haus nur dann Gestalt annehmen könne, wenn die bestehenden Grenzen nicht mehr trennten, sondern wenn sie den freien Zugang der Menschen untereinander ermöglichten.

Der Vorsitzerde des DGB, Ernst Breit, erläuterte ausführlich die wirtschaftliche und soziale Lage in der Bundesrepublik und die Politik des DGB, die von dem Grundgedanken geleitet werde, dass freie und unabhängige Gewerkschaften stets Aufklärungsinstanz über gesellschaftliche Missstände und Antriebsmotor für gesellschaftliche Reformen sein müssten. Ein wichtiges Arbeitsfeld sei dabei die Tarifpolitik, wobei sich die Gewerkschaften auch in den anstehenden Tarifverhandlungen darauf konzentrieren werden, die Arbeitszeit weiter zu verkürzen. Dies sei ein wesentlicher Beitrag der Gewerkschaften zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit.

Harry Tisch legte dar, wie die Gewerkschaften in der DDR als Interessenvertreter der Werktätigen aktiv an der weiteren Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft zum Wohle der Menschen mitwirken. Auch für die Zukunft werde allen Bürgern in der DDR soziale Sicherheit, Geborgenheit und ein Leben in Frieden garantiert. Darin sehe er die Grundvoraussetzungen für die Verwirklichung aller Menschenrechte. Die tägliche Praxis der Arbeit der Gewerkschaften verdeutliche die großen Mitwirkungsrechte des FDGB in der DDR und sein Engagement, den Prozess tiefgreifender Umgestaltung und Erneuerung im Interesse der Werktätigen aktiv mitzugestalten.

Die Delegation des FDGB-Bundesvorstandes weilte in Frankfurt (Main), Heidelberg und Stuttgart, wo Gespräche mit Vorsitzenden von DGB-Landesbezirken und -kreisen geführt wurden. Während eines Besuches bei dem zum Krupp-Konzern gehörenden Unternehmen "Werner & Pfleiderer" kam es zu einem regen Gedankenaustausch mit dem Betriebsrat und gewerkschaftlichen Vertrauensleuten.

Bei ihrem Aufenthalt in Baden-Württemberg wurden kulturhistorische Sehenswürdigkeiten besichtigt.

Der Leiter der Ständigen Vertretung der Deutschen Demokratischen Republik, Horst Neubauer, gab für beide Delegationen einen Empfang.

Stuttgart, den 15. September 1989

Tribüne, Mo. 18.09.1989

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