DGB und Sprecherrat der Gewerkschaften berieten in Düsseldorf:

Grundrisse sind abgesteckt

Interview mit Vorsitzenden Peter Rothe / Stellungnahme zum Staatsvertrag wird präzisiert

• Während der gemeinsamen Sitzung von DGB und Sprecherrat wurde am Montagnachmittag der neue Entwurf des Staatsvertrages bekannt. Hat das nicht die Tagesordnung völlig durcheinandergebracht?

Natürlich ging es ja gerade darum, eine gemeinsame Stellungnahme zum Staatsvertrag zu erarbeiten. Insofern entstand tatsächlich eine neue Lage. Aber zumindest der erste Eindruck ist so, dass in dem neuen Dokument nicht wenige Forderungen, die die Gewerkschaften an beide Regierungen gerichtet haben, erfüllt sind. Das betrachten wir durchaus als einen wichtigen Erfolg.

• Aber die Stellungsnahme, die den verhandelnden Seiten übergeben werden soll, ist doch damit nicht vom Tisch?

Auf keinen Fall. Uns steht jetzt gewissermaßen eine Nachtschicht bevor, um den neuen Entwurf zu studieren und zu bewerten. Wir werden unsere Position präzisieren und dann den Regierenden zukommen lassen.

• Wesentliche Ziel der Beratung in Düsseldorf war doch sicher auch, jetzt eine geregelte Zusammenarbeit zu beginnen. Gab es dazu Festlegungen?

Konkret ist zum Beispiel, dass alle Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften eine Einladung zum bevorstehenden DGB-Bundeskongress erhalten haben. Mir wird dort euch die Möglichkeit gegeben, das Wort zu ergreifen und unsern Meinung darzulegen.

• Es war in diesem Rahmen das erste Treffen. Welchen Eindruck hattet ihr von euren Gastgebern?

Wir wurden sehr freundschaftlich empfangen. Also so, wie er unter Gewerkschaftern üblich ist. Für den DGB ist im Moment natürlich der Bundeskongress Thema Nr. 1. Seine Ergebnisse werden logischerweise auch für die folgende konkrete Zusammenarbeit, deren Grundrisse abgesteckt wurden, von großer Bedeutung sein. Und es ist auch kein Geheimnis, dass im DGB wesentliche personelle Veränderungen anstehen. Insofern muss ich für das Treffen vom Montag hinzufügen, dass wir vielleicht mit etwas zu hohen Erwartungen nach Düsseldorf gegangen sind.

• Der DGB-Kongress berät schon kommende Woche in Hamburg. Auf welche Ergebnisse hofft ihr speziell?

Wir gehen davon aus, dass auf dem Kongress eindeutige Beschlüsse zum zeitlichen und inhaltlichen Rahmen des Zusammenschlusses gefasst werden. Es geht darum, dass dann über den Weg der Vereinigung der Einzelgewerkschaften auch der Übergang unter das Dach des DGB erfolgen kann.

• Hat der Sprecherrat nicht die Befürchtung, möglicherweise das Schicksal des damaligen Vorbereitungskomitees des außerordentlichen FDGB-Kongresses vom Januar zu teilen?

Nein. In eine solche Rolle werden wir uns nicht drängen lassen. Wir sind jetzt praktisch das Sprachrohr der 20 Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften. Und in diesem Sinne erfüllen wir unsere Aufgaben, beschäftigen uns mit den konkreten Erfordernissen, die für eine wirksame Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit dem DGB.

Das Interview führte
Michael Bolz

Tribüne, Nr. 93, Mi. 16.05.1990

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