Ost-West-Frauenbündnis plant Demo 5 vor 12

Um eine gemeinsame Großdemonstration vorzubereiten, traten sich kürzlich 70 Frauen aus Ost und West, die verschiedenen Organisationen, Parteien, autonomen Frauengruppen in beiden Ländern angehören, im Berliner Haus der Demokratie. Zu ihrem Vorhaben befragte ND die Pressebeauftragte des Unabhängigen Frauenverbandes, Marinka Körzendörfer.

Für wann und unter welchem Motto ist die Veranstaltung geplant?

Wir Frauen beschlossen, zu der Demonstration unter der Losung "Gegen eine Einverleibung der DDR, für ein selbstbestimmtes Leben" für den 29. September um 11.55 Uhr, das heißt fünf vor zwölf, aufzurufen.

Das hat Symbolcharakter . . .

Soll es auch. Wir wollen, dass alle - Frauen, Männer, Kinder, Behinderte, ältere Menschen, AusländerInnen; jene, die gegen eine Wiedervereinigung überhaupt und jene, die "nur" gegen die Art und Weise sind, mit uns kommen. Die Route liegt allerdings noch nicht fest.

Wogegen, wofür konkret werdet ihr streiten?

Wir protestieren gegen den § 218, gegen Intoleranz und Ausgrenzung Andersaussehender, gleichgeschlechtlich Liebender. Wir wenden uns gegen ein undemokratisches und aggressives Deutschland. Wir treten auf gegen die unsozialen Folgen des Anschlusses.

Kurz vor dem Ende der DDR wollen wir den Anschlusspolitikern in beiden Ländern klarmachen, welches unsere Vorstellungen von einem geeinten Deutschland sind. Recht auf bezahlte Arbeit und somit ökonomische Unabhängigkeit gehören dazu und Erhalt der Sozialpolitischen Maßnahmen der DDR. Jeder Mensch soll die ihm gewählte Lebensform ohne Diskriminierung oder straf- und zivilrechtliche Benachteiligung frei leben können. Wir wünschen Auflösung der Militärblöcke und Entmilitarisierung. Wir fordern eine ökologische Wirtschafts-, Energie-und Verkehrspolitik für ganz Deutschland ohne Energiemonopol der BRD-Konzerne. Wir wenden uns schließlich gegen Nationalismus, Rassismus, Sexismus. Im übrigen soll die Demonstration jener vom Juni in Bonn an Größe und Wirkung nicht nachstehen.

Das erfordert gute Vorbereitung.

Deshalb wird kurzfristig jeweils in Berlin-Ost und -West ein Büro eröffnet, in dem alle Fäden zusammenlaufen. Sonderbusse oder Züge müssen beispielsweise organisiert wenden, damit viele kommen können. Das Ost-Büro ist über das Haus der Demokratie, (...), zu erreichen.

Gespräch: CORINNA FRICKE

Neues Deutschland, Fr. 31.08.1990

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