Ja sagen zu Deutschland, aber keine Deutschtümelei

NZ Interview mit Andreas Penk, Sprecher der Jugendorganisation Deutscher Regenbogen/Auch Randgruppen erreichen

NZ: Der Deutsche Regenbogen konstituierte sich als ein der NDPD nahestehender Jugendverband. Wie nah noch nach dem Parteitag?

Andreas Penk: Ich würde sagen, der Regenbogen ist ein Jugendverband der nicht der NDPD sondern den Idealen eines Lothar Bolz, eines Vinzenz Müller, eines Arno von Lenski und eines Wilhelm Adam nahesteht.

NZ: Das heißt also, dass Ihr der heutigen NDPD nicht sehr nahe seid, traten doch die genannten Persönlichkeiten unter anderem auch für die Toleranz der Menschen gegenüber verschiedenen Anschauungen ein.

Andreas Penk: Mir ist bei diesem Parteitag nicht viel aufgefallen, was den Begriff "Toleranz" rechtfertigen würde. Wenn jemand den Parteitag vorzeitig verlässt, draußen Interviews gibt und von einer Saalschutzstaffel des Hauses verwiesen werden soll . . .

Hält man Rückschau, findet man sehr schnell Parallelen zu einer ganz schlimmen Zeit. Im übrigen will ich für den im Entstehen begriffenen Landesverband Berlin sagen, dass wir uns am Wochenende zu einer Krisensitzung finden werden, um zu sehen, wies weitergehen kann.

NZ: Was will der Deutsche Regenbogen überhaupt?

Andreas Penk: Wir wollen nicht für Jugendliche einer bestimmten weltanschaulichen, konfessionellen oder politischen Richtung da sein. Wir wollen für jene Ansprechpartner sein, die sich für diese Nation einsetzen, die ja sagen zu Deutschland und den humanistischen Traditionen der Deutschen. Gerade bezüglich der Traditionen haben die Deutschen 'ne ganze Menge anzubieten, doch durch die jahrelange verfehlte Bildungspolitik wurde die Jugend zu einem gespaltenen Selbstbewusstsein erzogen. Welche Auswirkungen ein ungesundes Verhältnis zur Nation haben kann, bewies ja gerade der NDPD-Parteitag. So was wollen wir verhindern.

Weiterhin wollen wir herausfinden, was der Jugend dieser Nation nützt. Zu diesem Zweck sitzen wir auch mit am Runden Tisch der Jugend. Wir haben beispielsweise den Antrag eingebracht, dass alle Jugendorganisationen zusammentragen sollen, was zur Zeit der Jugend weggenommen wird. An Häusern, Einrichtungen, Pionierhäusern, Jugendclubs. Für die Jugend interessiert sich im Moment kaum noch einer, Jugendpolitik ist out.

NZ: Ihr habt auch den Antrag eingebracht, die Behindertenverbände am Runden Jugendtisch teilnehmen zu lassen. Warum?

Andreas Penk: Um genau zu erfahren, was sie wollen, was sie brauchen. Nur so können Behinderte gezielt unterstützt werden. Es haben ja die wenigsten eine Ahnung, mit welchen Problemen Behinderte leben.

NZ: Was nützt denn der Jugend noch so? Was wollt Ihr der Jugend geben?

Andreas Penk: Wir wollen der Jugend das Selbstbewusstsein geben, nicht nur auf die Straße zu gehen, sondern aktiv an der gesellschaftlichen Umgestaltung teilzunehmen. Vor allem ist die Mitarbeit an den verschiedenen Runden Tischen wichtig, denn es wird in der Volkskammer künftig bestimmt seine Jugendfraktion mehr geben.

Ein weiteres Thema ist der Tourismus. Die Jugentouristpreise sind in die Höhe geschossen und deshalb haben wir Vorschläge eingebracht, wie wir auf der Basis eines Austausches mit dem westdeutschen und österreichischen Jugendring eventuell billiger zu Reisen kommen.

Oder die Frage der Randgruppen zu denen auch Drogensüchtige und Prostituierte gehören werden. Im Umgang mit Solchen Gruppen haben wir noch keine Erfahrungen. Ähnlich ist es mit Homosexuellen. Wenn jetzt schon in einigen Kneipen Homosexuelle von Neonazis verprügelt werden mit dem Spruch "Euch schwulen Säue hängen wir auf", ist es mir doch klar, dass ein solcher Jugendlicher noch größere Schwierigkeiten als bis her hat, wenn er sich zu seine" Homosexualität bekennen will. Denen wollen wir helfen.

Damit sind wir auch wieder bei Bolz, der sagte, man müsse denen helfen, die keine große Lobby haben.

NZ: Ist der Umweltschutz für Euch ein Thema?

Andreas Penk: Wenn wir uns nicht schleunigst um die Umwelt bemühen stellt sich die Frage der Nation irgendwann nicht mehr.

NZ: Noch mal zurück zum Stich-Wort "ja sagen zu Deutschland". Gibt's da einen Zeitplan?

Andreas Penk: Wir halten es in dieser Frage nicht so wie der NDPD Parteitag, der ja zu Deutschland sagte und gleichzeitig fast Hochverrat beging. Es wurden Interessen der Alliierten berührt, die nicht umsonst vor ein paar Tagen die Möglichkeit eines Kuratels in die Diskussion brachten. Unlauteres, Dogmatisches und Verlogene war auf dem Parteitag zu hören. Man sprach sich für Deutschland aus und tat gleichzeitig alles, um es zu Grabe zu tragen. Dort wurde Etikettenschwindel betrieben, indem man deutschtümelte. Bewusst oder unbewusst bastelte der Parteitag an einem riesigen Geschenk für Schönhuber. Da geht der Landesverband Berlin des Regenbogens nicht mit.

Unser großes Problem ist nun, dass wir viele Worte benutzen, die auf dem Parteitag fielen die somit beschmutzt sind. Unser Standpunkt Keine Wiedervereinigung, aber Konföderation. Konföderation im Sinne zweier selbständiger, starker Staaten. Vor allen müssen wir weg von dem Gedanken, dass die DDR nur der Nehmer und die Bundesrepublik nur der Geber ist. Wir haben da viele Dinge einzubringen, auf kulturellen Gebiet, auf sozialem Gebiet. Selbst bei der Problematik Wehrdienst hinkt die BRD reichlich hinterher. Oder nehmen wir den großen Rundei Tisch: Eine solche Beteiligung an der Regierungsgewalt durch die Opposition gibt es dort nicht.

Zu sagen, wir hätten nichts zu bieten, halte ich für vaterlandslose Lumperei. Und wenn Du mich fragst, wie lange wir konföderiert miteinander auskommen sollten, meine ich: Wir sollten zur Kenntnis nehmen wie lange es dauert, bis sich beide Länder immer mehr angeglichen haben. Dann erst ist das Thema Vereinigung aktuell. Wer konnte den zum Beispiel Mitte 89 absehen, wie es Ende 89 aussehen wird.

NZ: Apropos Runder Tisch der Jugend. Welchen Stellenwert misst Du diesem Forum bei?

Andreas Penk: Die alte FDJ existiert nicht mehr und das Amt für Jugend und Sport brauchte dringend einen Partner, der legitimiert ist, diesem Amt zu helfen. Ein ganz praktisches Beispiel: Wer soll beispielsweise die Tausend Reisen nach Frankreich vergeben?

Wobei uns bewusst ist, dass wir nicht die Jugend vertreten sondern die, die bereit sind sich zu organisieren. Wobei wir natürlich beruht sind, die Interessenvertreter möglichst viele Jugendlicher zu sein.

Wichtig ist für uns besonders das Eintreten gegen die zunehmende Beschneidung der Rechte Jugendlicher. Wir haben einen Brief an Modrow verabschiedet, in dem wir schärfstens dagegen protestieren und klar machen, dass wir eine diesbezügliche Dokumentation erarbeiten.

NZ: Kannst Du ein paar Beispiele nennen?

Andreas Penk: In Tiefensee soll eine Jugendherberge an einen Betrieb verkauft werden. Jugendklubs schließen, werden kommerzialisiert in Form teurer Kneipen. Fonds, die für die betriebliche Jugendarbeit vorgesehen waren, verschwinden. Jugendtouristeinrichtungen laufen Gefahr, vom Staat für andere kommerzielle Zwecke vereinnahmt zu werden.

NZ: Inwieweit ist für den Deutschen Regenbogen der Begriff "Jugend" dehnbar?

Andreas Penk: Dehnbar bis 35 Jahre.

NZ: Der Landesverband ist im Entstehen. Wie weit seid Ihr?

Andreas Penk: Es dauert ein bisschen, weil wir Demokratiefanatiker sind. Bei uns setzen sich nicht drei Leute in ein Zimmer und entwerfen eine Arbeitsgrundlage oder ein Programm. Wir haben einen Programmansatz entworfen und diesen an all jene geschickt, die sich dafür interessieren, die mal nachgefragt haben. Wir warten nun auf Reaktionen, die wir zur Grundlage machen wollen. Erst dann kann sich der Landesverband voll konstituieren.

In Köpenick gibt's schon eine stärkere Gruppe, in Marzahn und Hohenschönhausen erste Keime. Wir hier in Prenzlauer Berg haben nachts mal viele Plakat angeklebt.

NZ: Wie war das Echo?

Andreas Penk: Es gab viele Anrufe darauf, mit vielen Fragen. Zum Beispiel auch der: "Seid ihr die Jugendorganisation der Republikaner?"

NZ: Fragst Du auch, wie sie darauf kommen?

Andreas Penk: Ja sagen zu Deutschland und . . . - weiter lesen sie schon nicht mehr. Dass wir uns gegen Antisemitismus und deutschen Größenwahn richten, bekommen sie nicht mit. Viele stolpern schon über da Wort "deutsch". Das haben wir auch bei der Zusammenarbeit mit andern Jugendorganisationen bemerkt. Der Begriff ist von Rechtsradikalen und Deutschtümlern leider negativ vorbelastet. Und der NDPD-Parteitag tat sein Übriges.

Das Gespräch führte
Oliver Michalsky

National-Zeitung, Fr. 26.01.1990

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