DDR 1989/90 Brandenburger Tor

Gleiches Recht für (fast) alle?

Runder Tisch der Jugend: Deutsche Jugendpartei schaut zu Für jede Organisation bis 70 000 Mark Starthilfe beantragt

Von unserem Berichterstatter Andreas Kurtz

Seltsam. Bisher war man am Runden Tisch der Jugend offen für jede Jugendstruktur. Sitz und Stimme erhielt, wer in mindestens acht Bezirken organisiert war.

Seit Mittwoch Abend scheint das nicht mehr zu gelten. Es lagen die Anträge auf Zulassung von zwei neuen Jugendorganisationen vor - von "Lambda" (junge Schwule und Lesben) und von der Deutschen Jugendpartei (DJP). "Lambda" ist zugelassen. Eigens für die DJP wurde aber ein Beobachterstatus gebastelt (kein Stimmrecht, Rederecht nach Anmeldung).

Der Hinweis, dass die DJP sich doch um Aufnahme am Runden Tisch der Parteien, Organisationen und Bewegungen bemühen solle, wurde zwar als Begründung für die Nichtaufnahme gegeben, ist aber meiner Meinung nach wenig überzeugend.

Man sollte doch nach dem flüchtigen Blick auf das Etikett ("Partei") schauen, was drin ist - junge Leute, die meinen, dass man Jugendinteressen parlamentarisch vertreten muss.

Man erinnere sich auch an die Wurzeln des Runden Tisches der Jugend. Massenhafte Austritte aus der kompromittierten FDJ, neue Jugendorganisationen entstanden. Gemeinsam mit schon lange existierenden Strukturen kirchlicher Jugendarbeit traf man sich am Runden Tisch, um mit breitester Legitimation Jugendinteressen zu vertreten. Diese Legitimation wuchs mit jeder Beratung, bei der neue Jugendorganisationen zugelassen wurden.

So macht man es sich also mit der DJP nicht nur zu einfach, der Runde Tisch der Jugend hat eine Jugendstruktur von der Mitbestimmung ausgeschlossen!

Fast ein Witz: Was sind die Unterschiede zwischen DJP und JDA (Jugend des Demokratischen Aufbruchs)? Die DJP gibt es, sie hat aber nicht das, Stimmrecht am Runden Tisch der Jugend.

Als es am Mittwochabend um Geld, sehr viel Geld ging, war damit natürlich (?) auch nur die finanzielle Unterstützung für stimmberechtigte Mitglieder des Runden Tisches der Jugend gemeint (der Tiefschlag traf die DJP). In seltener Einmütigkeit beschloss man, bis zu 70 000 Mark je Jugendorganisation beim Ministerpräsidenten zu beantragen. Diese "Starthilfe" soll aus dem zentralen Konto junger Sozialisten kommen.

Nochmal bis 10 000 Mark je Verband sollten für Projekte zur Verfügung stehen (wurde einstimmig beschlossen).

Der Premier sei nun auch um kurzfristige Genehmigung von drei Planstellen je Jugendorganisation (als Übergangslösung von Februar bis Juni) und um zehn zur Unterstützung der Arbeit der Geschäftsstelle des Runden Tisches der Jugend gebeten werden.

Zunächst waren ja sieben Planstellen im Gespräch. Auf einen Zwischenruf "Zehn!" meinte der Versammlungsleiter (Bernd Wittchow für den verhinderten Manfred Zinßler): "Zehn Planstellen, bietet jemand mehr?"

Es bot niemand. Mal sehen, was der nächste Runde Tisch der Jugend am 21. Februar zu bieten hat.

Junge Welt, Fr. 16.02.1990, Linke sozialistische Jugendzeitung

Δ nach oben